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Matthias W. Birkwald

Reformpläne Rente: Konservative wollen Kinderlose schlechter stellen

Matthias W. Birkwald kritisiert in der Berliner Zeitung scharf die Forderung der Jungen Gruppe in der CDU, dass ab 2030 die Deutschen länger arbeiten sollen.

31.03.2020
Christine Dankbar

Nach dem Vorschlag der Jungen Gruppe in der CDU sollen Eltern mit zwei Kindern Rentenbeiträge in gleicher Höhe wie bisher einzahlen. 

Die Diskussion um eine Rentenreform nimmt Fahrt auf. Das liegt an den Vorschlägen der Jungen Gruppe in der CDU. Die konservativen Politiker fordern unter anderem Renteneinbußen für Kinderlose. In einem Papier, das der Berliner Zeitung vorliegt, schlagen sie für die „zukunftssichere Rente“ vor, kinderlosen Beitragszahlern einen Beitragszuschlag von einem Prozent zu berechnen.

Zwei-Kind-Familie als Normalfall

Eltern sollten dagegen ab dem dritten Kinder beim Betrag für die Rentenversicherung entlastet werden. Eltern mit zwei Kindern sollen, quasi als Normalfall, Beiträge in bisheriger Höhe bezahlen.

Provokant sind auch die Vorschläge zum gesetzlichen Renteneintrittsalter: Künftig solle nur noch beitragsfrei in den Ruhestand gehen dürfen, wer 47 Jahre durchgearbeitet hat. Das entspräche dem bisherigen gesetzlichen Renteneintrittsalter von 67 Jahren, so die Junge Gruppe.

Länger arbeiten

Doch damit nicht genug: Von 2030 an sollen die Deutschen für jedes Jahr steigender Lebenswartung neun Monate länger arbeiten müssen. Ein garantiertes gesetzliches Rentenniveau soll es dem Papier zufolge auch nicht mehr geben. Es wird ersetzt durch eine „individuelle Rentenleistungsbilanz“, die die tatsächlichen Rentenansprüche der Menschen besser widerspiegeln soll.

„Familien mit Kindern leisten einen erheblichen Beitrag zum umlagefinanzierten Rentensystem“, begründete der CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann gegenüber der Berliner Zeitung die Vorschläge. „Das tun Kinderlose eben nicht – unabhängig von den Gründen dafür ist es nur fair und solidarisch, dass ihr Beitrag zum Gesamtsystem daher etwas höher ausfällt.“ Der Jungen Gruppe gehe es darum, das Rentensystem fit zu machen für die anstehende Verrentung der Babyboomer Generation und es langfristig auf veränderte Bedingungen – etwa eine steigende Lebenserwartung – einzustellen.

Grüne: Völliger Kokolores

Der Grünen-Politiker Markus Kurth hält die Vorschläge für „völligen Kokolores“. Dass man Kinderlose in der Rentenversicherung bestrafen wolle, tauche in der Diskussion so regelmäßig auf wie das Ungeheuer von Loch Ness. Entsprechend gegenstandlos sei der Beitrag aber auch. „Kinder oder Kinderlosigkeit haben mit dem Versicherungsprinzip überhaupt nichts zu tun“, sagte Kurth der Berliner Zeitung am Montag. „Es geht darum, was man einzahlt und dass man seinen Beitrag zumindest annähernd wieder herausbekommt. Ob jemand Kinder bekommt oder nicht, hat den Staat überhaupt nicht zu interessieren.“

Linke: Unausgegoren und unfair

Auch die Linke kritisierte das Konzept scharf. „Die Vorschläge der Jungen Gruppe der Unionsfraktion sind allesamt komplett unausgegoren“, sagte der Rentenexperte der Bundestagsfraktion, Matthias Birkwald. „Kinderlose sind wesentlich häufiger in Vollzeit beschäftigt und zahlen darum schon heute häufig höhere Rentenbeiträge und mehr Steuern. Umgekehrt wäre es richtig.“

Im Übrigen sollten Abgeordnete, die sich weigern, selber Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen und die sich weigern, Beamtinnen und Beamte, gut verdienende Freiberufler und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen zunächst einmal vor ihrer eigenen Haustür kehren: „Mit einer echten Erwerbstätigenversicherung flössen in den nächsten Jahren massiv mehr Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung.“

Benachteiligung von Geringverdienern

Die Anhebung der Lebensarbeitszeit laufe auf eine faktische Rentenkürzung gerade für Geringverdiener hinaus. „Die Wahrheit ist: 20 Prozent der Menschen in Deutschland versterben vor ihrem 70. Geburtstag“, sagte Birkwald der Berliner Zeitung. „Und Menschen mit geringem Einkommen sterben deutlich eher als Menschen mit hohen Einkommen.“ Zudem gebe es zahlreiche Berufsgruppen, die noch nicht einmal bis 60, 63, 65 oder gar 67 Jahre durchhalten könnten.

Große Koalition plant Rentenreform

Die große Koalition war angetreten, um mit das System der Alterssicherung zu reformieren, da in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge allmählich in den Ruhestand gehen werden. Doch angesichts der Coronakrise ist es unklar, ob es dazu kommen wird.

Am Freitag hatte die  Rentenkommission der Regierung nach zwei Jahren Beratung einen Bericht vorgestellt, wonach das Rentenniveau in einem Korridor zwischen 44 und 29 Prozent liegen soll. Beim Beitragssatz wird ebenfalls ein „Korridor“ empfohlen: Zwischen 20 und 24 Prozent. Empfehlungen zu einer weiteren Erhöhung des Renteneintrittsalters über die derzeit geplanten 67 Jahre hinaus gab die Kommission nicht.