DIE LINKE im Bundestag
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Matthias W. Birkwald

Rentnerinnen und Rentner verdienen mehr vom Kuchen!

Renten rauf, damit Rentnerinnen und Rentner im Alter in Würde leben können!

12.10.2018
Stephan Wende
Redebeitrag von Matthias W. Birkwald (Die Linke) am 12.10.2018 um 09:30 Uhr (56. Sitzung, TOP 22)

In der Debatte zum Rentenpaket der Bundesregierung forderte Matthias W. Birkwald heute im Plenum des Deutschen Bundestages:

"Minister Heil, bleiben Sie nicht auf halber Strecke stehen. Heben Sie das Rentenniveau deutlich an, statt es nur einzufrieren, schaffen Sie alle Ungerechtigkeiten in der Mütterrente ab und machen Sie die Erwerbsminderungsrenten armutsfest!"

Die Rede von Matthias W. Birkwald können Sie hier ansehen und -hören.

Die gesamte Plenardebatte zum Rentenpaket können Sie hier ansehen und -hören.

Die Rede von Matthias W. Birkwald können Sie hier nachfolgend nachlesen:

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Vogel, nach dieser Rede bin ich wirklich froh, dass die FDP sich entschieden hat, nicht zu regieren, und dass Sie im BMAS nichts zu sagen haben.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Das ist nämlich alles unseriös.

Wir müssen doch wissen, dass wir in Deutschland, also die Arbeiterinnen, die Arbeiter und die Angestellten, ein bisschen auch die Beamten und die Selbstständigen, im Jahr 2017 einen Kuchen gebacken haben, der 3,28 Billionen Euro umfasst, 3 280 Milliarden Euro. Das ist der viertgrößte Kuchen der Erde. Davon wurden gerade einmal 9,16 Prozent für die gesetzliche Rentenversicherung ausgegeben. Wie war das im Jahr 2000, bevor Franz Müntefering, Walter Riester und Co die gesetzliche Rente in den Sinkflug geschickt haben? Da hatten wir noch einen Anteil der Renten von 10,35 Prozent, und das Bruttoinlandsprodukt lag nur bei etwas über 2 Billionen Euro. Also, von einem viel kleineren Kuchen haben die Rentnerinnen und Rentner vor 18 Jahren ein deutlich größeres Stück erhalten, und damals gab es auch noch 2,5 Millionen Rentner weniger als heute. Also, Herr Vogel: Wir haben zu wenig Geld für die Rentnerinnen und Rentner und nicht zu viel. So ist die Lage.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen doch einmal politisch entscheiden, wie viel uns das würdevolle Leben unserer älteren und alten Menschen wert ist. Ich sage Ihnen: Es gibt Länder, in denen die Rentnerinnen und Rentner nicht nur 9 oder 10 Prozent vom ganzen Kuchen, vom Bruttoinlandsprodukt, wert sind, sondern 14 Prozent,

(Lachen des Abg. Dr. Gero Clemens Hocker (FDP))

in Österreich zum Beispiel. Dort erhalten männliche Arbeiter und Angestellte im Alter durchschnittlich - festhalten an den blauen Sitzen! - eine Bruttorente von 2 288 Euro. Das sind 1 079 Euro brutto im Monat mehr, als deutsche Arbeiter und Angestellte im Ruhestand bekommen. Bei den Frauen sind es immerhin noch 341 Euro mehr.

Wie sieht denn die Lage in Bayern aus, Herr Dobrindt? In Bayern erhielten Männer, die 2017 neu in Rente gingen, durchschnittlich 1 081 Euro Altersrente auf ihr Konto überwiesen. Die österreichischen Männer haben also deutlich höhere Renten.

(Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Wie schaut es denn in Nordkorea aus?)

Das österreichische Rentensystem ist bis 2059 seriös und nachhaltig finanziert. Warum? Weil alle Menschen mit Erwerbseinkommen in die Rentenkasse einzahlen, auch Beamtinnen und Beamte, die Selbstständigen und die Politiker.

(Beifall bei der LINKEN)

Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen. Herr Bundesminister Heil, das kann Deutschland sich leisten.

Nun zum Rentenniveau, von dem Sie immer sagen, das sei alles unwichtig. Das Rentenniveau ist die wichtigste Stellschraube im gesamten Rentensystem.

(Friedrich Straetmanns (DIE LINKE): Sehr richtig!)

Ja, Herr Bundesminister Heil, Sie wollen endlich den Sinkflug des Rentenniveaus für sieben Jahre stoppen. Das ist übrigens ein Erfolg von Gewerkschaften, Sozialverbänden und der Linken,

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Und ich finde es gut.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber, Herr Minister, dass Sie die Beitragssatzbremse einführen wollen, ist überhaupt keine gute Idee. Hören Sie nicht auf Herrn Vogel! Fragen Sie lieber Menschen, die zum Beispiel 3 000 Euro brutto im Monat verdienen, ob sie nicht bereit wären, für ein Rentenniveau von 53 Prozent statt wie heute 48 Prozent 30 Euro mehr im Monat zu bezahlen! Wer 2 000 Euro brutto im Monat hat, müsste nur 20 Euro mehr zahlen. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Die meisten Menschen wären dazu bereit; denn die Renten ihrer Großeltern, ihrer Eltern und vor allen Dingen, Herr Vogel, ihre eigenen Renten würden deutlich steigen.

(Beifall bei der LINKEN)

53 Prozent Rentenniveau hieße zum Beispiel, dass die männlichen Neurentner in Bayern, Herr Dobrindt, statt 1 081 Euro nach dem Konzept der LINKEN fast 1 190 Euro an Altersrente erhielten, 108 Euro mehr; das ist doch was.

(Beifall bei der LINKEN)

Und die bayerischen Frauen hätten statt 684 Euro eine eigenständige Nettoaltersrente von 752 Euro, auch immerhin 68 Euro mehr. Mit anderen Worten: Alle Rentnerinnen und Rentner hätten gut 10 Prozent Nettorente mehr. Das wären doch erste notwendige Schritte hin zu einer den Lebensstandard sichernden Rente.

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Birkwald, der Kollege Kleinwächter möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Bitte schön.

Norbert Kleinwächter (AfD):

Vielen Dank. - Herr Kollege Birkwald, Sie haben gerade ausgeführt, dass man, wenn man ein bisschen mehr einzahlen würde, am Ende ein deutlich besseres Rentenniveau hätte. Ihnen sind die Berechnungen, beispielsweise von Martin Werding, zur Zukunft der Rente schon bekannt?

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Ja.

Norbert Kleinwächter (AfD):

2060 sinken wir aktuell auf ein Rentenniveau von circa 41 Prozent, und Sie wollen uns jetzt mit einer Berechnung, ausgelegt auf einen Anteil vom Bruttoinlandsprodukt, weismachen, dass die Leute, wenn sie jetzt mehr zahlen würden, im Alter eine deutlich höhere Rente hätten - wohl wissend, dass der Altersquotient auf 65 Senioren pro 100 Erwerbstätige steigen wird, wohl wissend dass wir letztendlich nur einen Kuchen zu verteilen haben, der von den Erwerbstätigen finanziert werden muss und natürlich unter den Rentnern aufgeteilt wird? Sie stellen sich tatsächlich hier hin und sagen: Wenn Sie 20 oder 30 Euro mehr Rentenbeiträge im Monat zahlen, dann werden Sie am Ende eine deutlich bessere Rente haben. - Wollen Sie das den Leuten wirklich so vermitteln?

(Beifall bei der AfD - Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Das ist ja eine Steilvorlage!)

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Ich glaube, das war eine Superfrage. Dann kann ich Ihnen nämlich erstens erklären, dass wir im Durchschnitt um die 1 Prozent Arbeitsproduktivitätssteigerung und Wirtschaftswachstum haben.

(Dr. Alice Weidel (AfD): 1 Prozent! - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Und Sie garantieren das für die nächsten 50 Jahre, oder was?)

Das wird in all diesen Debatten, bei denen immer nur über Köpfe gesprochen wird, nicht erwähnt. Der Kuchen wird größer; es ist also mehr zum Verteilen da.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Hier sitzt Andrea Nahles, heute Fraktionsvorsitzende. Sie war aber einmal Arbeitsministerin und hat ein Rentenpaket vorgelegt. Da hat sie - vielen Dank dafür! - freundlicherweise auch mal unsere Vorschläge durchgerechnet.

(Kerstin Tack (SPD): Durchgerechnet? - Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Was habt ihr denn da gemacht?)

Dabei kam heraus, dass es, wenn wir das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anhöben, keinen Cent teurer wäre als Ihr Drei-Säulen-System. Ihr rechnet nämlich nie die Kosten für Riester, 4 Prozent vom Bruttoeinkommen, und für eine Betriebsrente aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe beim Ministerium angefragt, und die haben mir gesagt: Man braucht im Jahr 2030 einen Beitragssatz von 29 Prozent - den haben wir aber auch 2030 in ihrem Drei-Säulen-System -; dann würden Arbeitgeber 10,9 Prozent zahlen, Arbeitnehmer 10,9 Prozent, die Arbeitnehmer aber noch 4 Prozent für Riester und 3,2 Prozent für eine kapitalgedeckte Betriebsrente. Das heißt, wenn man ehrlich ist, sind die Kosten immer gleich. Ich will das nur nicht den von Finanzmarktinteressen getriebenen Kapitalmärkten überlassen, sondern dem guten Solidarsystem der gesetzlichen Rentenversicherung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben das alles durchgerechnet; Sie können es haben. Rechnen Sie bei der Arbeitsproduktivität, und zwar konservativ, mit 1 Prozent. Rechnen Sie beim Wirtschaftswachstum, konservativ, mit 1 Prozent. Herr Professor Dr. Gerd Bosbach - nicht zu verwechseln mit Wolfgang Bosbach; nur damit das klar ist -

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Schade, sonst wüsste ich, das wäre richtig!)

ist Professor für Statistik, Empirie und Mathematik an der Fachhochschule Koblenz, Standort Remagen. Er hat ausgerechnet, dass bei 1 Prozent Produktivitätssteigerung die Renten für die Babyboomer so zu finanzieren sind, dass auch für sie Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ gilt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das dazu; jetzt mache ich aber weiter. - Ich sage, liebe Koalition, lieber Herr Minister Heil: Sie wollen das derzeit viel zu niedrige Rentenniveau einfrieren. Der Sinkflug geht nicht weiter; okay. Aber Einfrieren reicht nicht. Wir Linken wollen eine gesetzliche Rente, die auch 2040 und 2060 noch den Lebensstandard sichern wird, und deswegen wollen wir zügig zu einem Rentenniveau von 53 Prozent zurückkehren.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zur Mütterrente. Herr Heil, herzlichen Dank dafür, dass Sie den vermutlich verfassungswidrigen Plan der CSU, nur für Mütter oder Väter mit drei oder mehr Kindern die Mütterrente zu erhöhen, verhindert haben! Danke dafür! Viele Eltern, auch bayerische Eltern, Herr Dobrindt, mit ein oder zwei Kindern werden erleichtert sein.

Aber, Herr Minister, Sie bleiben auf halber Strecke stehen. Warum? Ab Januar 2019 sollen Mütter oder Väter für ein Kind, das vor 1992 geboren wurde, statt 62,06 Euro Mütterrente 80 Euro erhalten. Halbe Strecke! Warum? Die Mütter im Osten werden für dasselbe Kind nur 76,73 Euro bekommen.

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Das ist ja unglaublich!)

Das sind bei zwei Kindern knapp 80 Euro weniger im Jahr, Herr Minister. 28 Jahre nach der Einheit darf das nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Gleichen Sie die Mütterrenten in Ost und West sofort an! Und gleichen Sie die Rentenwerte in Ost und West an! Die Linke fordert 96 Euro Mütterrente für jedes Kind, egal ob in Rostock oder in München geboren, egal ob es 1960 oder 2010 geboren wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich muss die Mütterrente komplett aus Steuermitteln bezahlt werden.

Da der Präsident mir das Ende der Redezeit anzeigt, sage ich: Herzlichen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)