Schon am 15. April 2016 hatte ich in der Bundestagsdebatte zum Hartz IV-Verschärfungsgesetz die SPD gefragt: "WARUM STRAFEN SIE ALLEINERZIEHENDE UND KINDER?"
Was war passiert?
Wir hatten einen Änderungsantrag vom Arbeitsministerium zugespielt bekommen, nach dem alleinerziehenden Hartz-IV-Beziehenden die Leistung zu kürzen war, wenn sie ihr Kind tageweise zum sogenannten umgangsberechtigten Elternteil, also meist dem Vater, geben. Alleineerziehenden Müttern sollten also zwischen 7,20 und 10 Euro pro Tag vom Hartz IV-Satz abgezogen werden, nur weil das Kind den Sonntag beim Vater verbringt.
Die SPD blieb mir eine Antwort schuldig und tat als wüsste sie von nichts. In den Tagen danach behauptete sie stur weiter, dass Alleinerziehende auf keinen Fall schlechter gestellt werden sollten.
Druck gemacht
Genau deshalb haben wir in der Zwischenzeit Druck gemacht und die Presse sowie Sozialverbände auf diesen ungeheuerlichen Vorgang hingewiesen. Es folgten erste kritische Stellungnahmen vom Deutschen Juristinnenbund und dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter, die uns Recht gaben: Es hätte viele Alleinerziehende und vor allem deren Kinder getroffen! Streitigkeiten zwischen den getrennt lebenden Eltern wären vorprogrammiert gewesen. Die prekäre Situation von Alleinerziehenden, die eh schon eine hohes Armutsrisiko tragen, hätte sich verschärft.
Dann ging es Schlag auf Schlag: Am 30. Mai lag morgens ein Aufruf von 16 Frauen und Familienorganisationen vor, der unter dem Titel "Kann ich mir Umgang mit dem Vater leisten?" nicht nur die vorgesehenen Verschlechterungen scharf kritisierte, sondern klar fordert, dass endlich auch der Mehrbedarf, der beim umgangsberechtigten Elternteil entsteht, endlich rechtssicher und möglichst als Pauschale zu gewähren. Umgang darf nicht vom Geldbeutel abhängen!
Die alleinerziehende Mutter Anna-Maria Petri-Satter hatte eine ONLINE-PETITION verfasst, die innerhalb weniger Wochen von über 40.0000 Menschen unterschrieben wurde. Sie machte sich damit auf den Weg nach Berlin, um die Petition vor der Sachverständigenanhörung am 30. Mai zu überreichen.
In der Anhörung kam es knüppeldick
Die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Kerstin Griese (SPD) hatte erst abgelehnt, die Petition entgegen zu nehmen, musste dann aber dem öffentlichen Druck nachgeben. Fernseh- und Radiosender waren vor Ort. Aber die SPD behauptete weiter: Nein, es seien keine Verschlechterungen geplant, nur "Klarstellungen" im Gesetz. Was für eine Frechheit!
In der Anhörung kam es dann aber knüppeldick. Wir fragten nach den Folgen dieser Regelung und die Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften sprachen sich unisono gegen die Kürzungen aus und forderten stattdessen, den Mehrbedarf ausreichend zu berücksichtigen. Auf Seiten von SPD und Union wurde es merklich still.
Viele Zeitungen, Tagesschau und Radiosender berichteten und Monitor sendete am 2. Juni einen kritischen Beitrag unter dem Titel: Noch ärmer: "Wie die Hartz-IV-Reform Alleinerziehende schlechter stellt!"
Am nächsten Tag war es dann nach eineinhalb Monaten endlich soweit: Ministerin Andrea Nahles (SPD) rückte öffentlich von ihrem Vorhaben ab, alleinerziehende Hartz-IV-Beziehende zu bestrafen, wenn sie ihr Kind tageweise zum Vater geben. Sie behauptet zwar weiter, dass es nie Absicht gewesen wäre, zu kürzen, aber sei’s drum. Das schlimmste ist erstmal verhindert.
Was sich aber zeigt: LINKS wirkt und politisches Engagement lohnt sich.
Wir dürfen aber noch nicht locker lassen. Verschlechterungen verhindern ist nur der erste Schritt. An der schwierigen Lebenssituation von 600.000 Alleinerziehenden im Hartz IV Bezug – das ist jede zweite Alleinerziehende im Osten und mehr als jede Dritte im Westen! – ändert sich damit noch gar nichts. Jetzt geht es darum, den Mehrbedarf für den umgangsberechtigten Elternteil zu sichern und weitere Verschärfungen durch das Hartz IV-Gesetz, wie zum Beispiel bei derZwangsverrentung, zu verhindern!
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