DIE LINKE im Bundestag
100% sozial
Matthias W. Birkwald

Um das Thema drohender Altersarmut kommt niemand mehr herum

22.08.2013

Die Redaktion LINKSLETTER bat die LINKEN Bundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen, ein paar Fragen zur jetzt ablaufenden Bundestagsperiode zu beantworten. Hat es sich gelohnt, als Opposition im Bundestag zu sein? Hat das die außerparlamentarischen Bewegungen unterstützt? Hier die Antworten von Matthias W. Birkwald, dem rentenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion.

In den Medien wird immer wieder gerne darauf verwiesen, DIE LINKE hätte keine konkreten Koalitionsoptionen bei der Bundestagswahl. Rückblickend, hat es sich gelohnt, dass DIE LINKE in der Opposition im 17. Deutschen Bundestag saß?

Matthias W. Birkwald: Sicher hat sich das gelohnt, denn auch als parlamentarische Opposition arbeiten wir an der Bildung gesellschaftlicher Mehrheiten für die gesellschaftliche Linke: Mit unserer Beharrlichkeit in Sachen flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn haben wir das Thema gemeinsam mit den Gewerkschaften so beharrlich vertreten, dass wir die anderen Parteien mit Wirkung bis in die CDU hinein vor uns her getrieben haben. Das gilt ähnlich auch für die öffentliche Debatte um Leiharbeit und Werkverträge. Die Abschaffung der Praxisgebühr ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Links auch in der Opposition wirkt.

Und in der Ablehnung von Kriegseinsätzen und Rüstungsexporten waren wir im Bundestag die einzigen, die der gesellschaftlichen Mehrheit für eine friedliche Politik konsequent eine Stimme im Parlament gegeben haben.

Gab es für Dich als Teil der Opposition im Bundestag Erfolge in Deinen Themenfeldern?

Matthias W. Birkwald: In der Rentenpolitik haben wir dazu beigetragen, die wachsende Altersarmut zum gesellschaftlichen Thema zu machen. Mit unseren Kleinen Anfragen haben wir beispielsweise dafür gesorgt, dass die Öffentlichkeit wahrgenommen hat, wie viele Rentnerinnen und Rentner gezwungen sind, selbst im Alter von 75 Jahren und darüber ihre kleinen Renten noch mit Minijobs wie Taxifahren, Büros putzen, Zeitungen austragen usw. aufzustocken.

Dass SPD und Grüne mit – wenn auch ziemlich ungenügenden - Forderungen nach einer Mindestrente in den Wahlkampf ziehen, und auch in ihren internen Diskussionen die Rente erst ab 67 wieder in Frage gestellt wird, ist ein wichtiges Indiz dafür, dass unsere konsequente Opposition und die Herausbildung gesellschaftlicher Mehrheiten kein Widerspruch sind, wenn wir die Interessen von Mehrheiten zur Sprache bringen. Selbst die Ministerin von der Leyen sah sich gezwungen, so zu tun, als würde sie etwas gegen die drohende Altersarmut unternehmen wollen. Ihre Vorschläge für eine Zuschuss- bzw. so genannte Lebensleistungsrente waren völlig unausgegoren und inhaltlich nur heiße Luft. Sie sind auch wieder in der Schublade verschwunden, aber um das Thema drohender Altersarmut kommt niemand mehr herum. Das ist ein erster kleiner Erfolg auf dem Weg zur Abschaffung der Altersarmut. Wir werden hier nicht locker lassen!

Bist Du der Meinung, dass Deine Tätigkeit im Parlament auch unterstützend wirken konnte für die außerparlamentarischen Bewegungen und Initiativen?

Matthias W. Birkwald: Ja. Ich denke schon, dass meine regelmäßige Teilnahme an blockupy in Frankfurt, an UmFAIRteilen und an den großen Demonstrationen gegen Rechts in Dresden, Dortmund aber auch in meiner Heimatstadt Köln den Aktiven vor Ort ganz konkret genutzt hat. Zum Teil habe ich ganz praktische Unterstützung leisten können, zum Beispiel bei Verhandlungen mit der Polizei.

Zu dem Thema gehört für mich aber vor allem die auch programmatisch produktive Zusammenarbeit mit den Rentenkampagnen von IG Metall und IG Bau und der – in NRW ‚selbstverständlich‘ etwas weniger wahrgenommenen – Ostrentenkampagne von ver.di.

Wie war das Verhältnis zur Partei?

Matthias W. Birkwald: Na, wie immer. Loyal, streitbar und konstruktiv. Dafür steht als Ergebnis nicht zuletzt unser LINKES Rentenkonzept. Dass die Partei auch vor Ort etwas von meiner Arbeit gehabt hat, sehe ich nach meinen vielen Rentenveranstaltungen in den Kreisverbänden in NRW und vieler anderer Bundesländer durchweg optimistisch.

Mit welcher Vorstellung vom Bundestag hast Du Dich im Vorfeld am meisten geirrt?

Matthias W. Birkwald: Obwohl ich den Parlamentsbetrieb aus der Mitarbeiterperspektive außerordentlich gut kannte, habe ich dennoch unterschätzt, wie schwierig und zeitaufwändig es ist, die unterschiedlichen Anforderungen von guter inhaltlicher Parlamentsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Wahlkreisarbeit in mehreren Wahlkreisen und Parteiarbeit ganz persönlich gut unter einen Hut zu kriegen. Das hat mich überrascht.

Was wünschst Du Dir für den Bundestag der 18. Wahlperiode?

Matthias W. Birkwald: Erstens: Einen Politikwechsel! Konkret wünsche ich mir, dass schnell in eine machbare andere Politik eingestiegen wird. Das hieße: Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von 10 Euro die Stunde, Zurückdrängen von Leiharbeit, Befristungen und Minijobs, eine deutliche Erhöhung der Renten auf vielen Wegen, Rücknahme der Rente erst ab 67 Jahren, eine Solidarische Gesundheitsversicherung, Millionärsteuer, Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen und Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze auf 500 Euro als Einstieg in eine sanktionsfreie Mindestsicherung, Abzug aus Afghanistan und Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr, Verbot von Waffenexporten und vieles mehr.

Vor allem aber wünsche ich mir eine starke LINKE, die als Stachel im Fleisch neoliberaler Politik dazu beiträgt, dass gesellschaftliche Mehrheiten für eine gerechte und solidarische Gesellschaft auch wirksam werden, innerhalb wie außerhalb der Parlamente.

Und darum wünsche ich mir zweitens: 11,11 Prozent und mehr für DIE LINKE am 22. September, also eine starke LINKSFRAKTION im Bundestag mit einer starken Landesgruppe aus NRW und

drittens, dass zum Beispiel bei UmFAIRteilen, am 1. Mai, bei Demos gegen Rechts und vielen anderen ähnlichen Gelegenheiten viel mehr Menschen als jemals zuvor immer und immer wieder friedlich, bunt und kreativ für ihre sozialen und politischen Rechte demonstrieren.

Erschienen im Linksletter des Landesverbandes DIE LINKE. NRW

www.dielinke-nrw.de/nc/politik/linksletter/linksletter_nrw_artikel/detail_ll/zurueck/linksletter-aktuell-2/artikel/um-das-thema-drohender-altersarmut-kommt-niemand-mehr-herum/