DIE LINKE im Bundestag
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Matthias W. Birkwald

Versprechen zur Riester-Rente nichts als heiße Luft

14.06.2012
Redebeitrag von Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.) am 14.06.2012 um 16:33 Uhr (184. Sitzung, TOP 8)

Rede von Matthias W. Birkwald, MdB (DIE LINKE.) zur ersten Lesung des Antrages „Risiken der Riester-Rente offenlegen – Altersvorsorge von Finanzmärkten entkoppeln“ (17/9194) am 14. Juni 2012 im Deutschen Bundestag

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor mehr als elf Jahren haben SPD und Grüne eine einschneidende Rentenreform auf den Weg gebracht. Am 16. November 2000 sagte der damalige Bundessozialminister Walter Riester hier im Plenum ‑ ich zitiere ‑:

Wir haben das Ziel, das Versorgungsniveau im Alter insgesamt zu erhöhen.

Und er behauptete – Zitat ‑:

Wir ergänzen die gesetzliche Rente mit einer zusätzlichen kapitalgedeckten Rente und werden damit das Rentenniveau insgesamt dauerhaft anheben.

Heute ist klar: Dieses Versprechen war heiße Luft. Es hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun, heute nicht, morgen nicht und übermorgen auch nicht. Das ist die traurige Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Um die Beiträge im Interesse der Arbeitgeber niedrig und stabil zu halten, wurden das Rentenniveau gesenkt und die Riester-Rente eingeführt. Das bedeutet eine dramatische Kürzung der gesetzlichen Renten. Wer im Jahr 2001 eine Rente von 1 000 Euro hatte, wird sich im Jahr 2030 mit 765 Euro bescheiden müssen. Um den einmal erreichten Lebensstandard auch im Alter halten zu können, sollten die Menschen fortan privat vorsorgen, beschloss Rot-Grün. Heute wissen wir, wer die Gewinnerin ist. Es ist die Versicherungswirtschaft. Sie kann sich über Mehreinnahmen in Milliardenhöhe freuen. Ebenfalls freuen können sich die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen. Sie müssen nämlich weniger in die Rentenkasse zahlen, weil sie sich nicht an der privaten Riester-Vorsorge beteiligen müssen. Wir wissen aber auch, wer die Verliererinnen und Verlierer sind. Es sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie sollen einen Teil der Altersvorsorge ganz allein tragen. Das ist sozial höchst ungerecht und durch nichts zu rechtfertigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber es kommt noch schlimmer. Derzeit spricht nämlich alles dagegen, dass mit der privaten Vorsorge die politisch willkürlich gerissene Altersvorsorgelücke tatsächlich geschlossen werden könnte. Das heißt, die Versicherungswirtschaft und die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber profitieren garantiert, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden bestenfalls mit ungedeckten Versprechen entlassen. Hier liegt der sozialpolitische Skandal. Da müssen wir heran. Da will die Linke heran, als einzige bisher.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Riester-Rente steht seit langem völlig zu Recht in der Kritik. Sie ist intransparent; denn die hohen Kosten und die schmalen Renditen sind durch die Sparerinnen und Sparer kaum zu erkennen. Sie ist unwirtschaftlich; denn die Verwaltungskosten sind viel zu hoch. Das ist ein Grund dafür, dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung klar und deutlich sagt ‑ ich zitiere ‑:

Riestern ist oft nicht besser, als das Geld in den Sparstrumpf zu stecken.

Nicht zuletzt versagt die Riester-Rente in sozialpolitischer Hinsicht auf ganzer Linie; denn die Riester-Reformen sorgen weder für eine Lebensstandardsicherung und schon gar nicht für ein Leben im Alter frei von Armut. Das heißt: Die Riester-Rente löst die Probleme nicht. Sie ist ein Irrweg.

(Beifall bei der LINKEN)

Die staatlichen Subventionen in Milliardenhöhe fließen ganz zuverlässig in die Taschen der Versicherungsunternehmen. Aber was kommt davon bei den Sparerinnen und Sparern an? Was trägt die Riester-Rente dazu bei, den Lebensstandard zu sichern? Was trägt die Riester-Rente dazu bei, im Alter ein Leben frei von Armut führen zu können? Auf diese wichtigen Fragen gibt es von der Bundesregierung bisher kaum brauchbare Antworten. Das muss sich ändern. Darum fordern wir Linken die Bundesregierung auf, einmal im Jahr einen umfangreichen Riester-Bericht vorzulegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach Auskunft der Bundesregierung sind seit 2001 15,5 Millionen Riester-Verträge abgeschlossen worden. Doch das ist keine Erfolgsstory. Diese absolute Zahl hat nur dann Aussagekraft, wenn die Gesamtzahl der potenziellen Riester-Sparerinnen und ‑Sparer bekannt ist. Aber diese Zahl kann die Bundesregierung nicht nennen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt die Zahl der Riester-Berechtigten auf ungefähr 37,5 bis 42 Millionen. Das heißt, dass nur etwa 37 bis 41 Prozent von denen, die eigentlich riestern dürften, tun dies überhaupt. Aber Vorsicht! Die Anzahl der Verträge sagt nichts aus über die tatsächliche Zahl der Menschen, die riestern, da einzelne Personen mehrere Verträge haben, und es ist zu bedenken, dass nur diejenigen eine theoretische Chance haben, ihre Versorgungslücke zu schließen, die eine volle Zulagenförderung erhalten. Die bekamen 2010 aber gerade einmal 5,4 Millionen oder 13 bis 14 Prozent der möglichen Riester-Sparerinnen und ‑Sparer. Noch nicht einmal diese kleine Gruppe hat von den staatlichen Zulagen etwas; denn laut Zeitschrift Öko-Test fressen die Vertragskosten fast die gesamten Zulagen auf. So sieht es aus! Hinschauen statt Schönreden ist hier gefragt. Deshalb müssen solche Daten regelmäßig auf den Tisch gelegt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, was wir aus dem Rentenversicherungsbericht 2011 über die Riester-Rente erfahren können, reicht für eine Bewertung nicht aus. Nicht von ungefähr kritisiert das DIW, dass die ganze Riesterei eine „Politik ohne Marktbeobachtung“ sei, dass es sich bei den Jubelmeldungen der Bundesregierung um „Erfolgsmeldungen ohne Fundament“ handele. Nur aus der unabhängigen Forschung gibt es immer wieder Studien, die nachweisen: „Die Riester-Reform ist ein Flop“, und das gilt insbesondere für Menschen mit wenig Geld.

Das Mindeste, das alle Bürgerinnen und Bürger von der Regierung erwarten können, ist, dass sie regelmäßig die Folgen ihrer Rentenpolitik überprüft und transparent macht. In Sachen Riester gehört aus unserer Sicht zum Beispiel Folgendes dazu: Wie wirken sich die Rentenkürzungen und die Riesterei auf Menschen mit geringem Einkommen aus? Warum glaubt die Versicherungswirtschaft, dass die Menschen so viel länger leben, als es das Statistische Bundesamt annimmt? Wie entwickelt sich das Rentenniveau nach Steuern und Abgaben aus der gesetzlichen Rente und aus der Riester-Rente? Die Linke will, dass in Sachen Riester endlich Klarheit und Wahrheit herrschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, was bisher bekannt ist, kann nur zu einer Forderung führen: Die Riester-Subventionen für die Versicherungswirtschaft müssen endlich in die Kassen der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt werden. Dorthin gehören sie. Dort helfen sie, den Lebensstandard zu sichern. Dort tragen sie dazu bei, im Alter frei von Armut leben zu können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)