DIE LINKE im Bundestag
100% sozial
Matthias W. Birkwald

Matthias W. Birkwald im Nordkurier: Gesetzliche Rente muss den Lebensstandard sichern

Politik debatttiert über die Zukunft der Rente. DIE LINKE im Bundestag fordert langfristiges Finanzierungskonzept für eine Wiederanhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent

09.11.2022

Nicht nur unter dem Eindruck der ankündigten „Aktienrente“ – die zum Glück keine ist, wie sie sich die FDP gewünscht hatte – hat die rentenpolitische Diskussion in der Politik wieder an Fahrt gewonnen. Der Nordkurier zitiert hierzu Positionen aus dem Bundestag, die auch innerhalb der Fraktionen der Ampel-Koalition auseinandergehen. Zu Wort kommt auch Matthias W. Birkwald: 

»Ein höheres Niveau von 53 Prozent fordert die Bundestagsfraktion der Linken. „Die Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rente ist nicht mehr gesichert”, sagte deren rentenpolitischer Sprecher Matthias W. Birkwald dem Nordkurier. Deshalb müsse neben einer langfristigen Anhebung des Rentenniveaus auch eine sofortige, einmalige und zusätzliche Rentenerhöhung von 10 Prozent umgesetzt werden. Diese solle über „moderate Beitragssatzerhöhungen” finanziert werden, die nach Berechnungen der Linken bei monatlich knapp 33 Euro für einen Durchschnittsverdiener liegen sollen.«

 

Hier können Sie ausführlich die Auskunft des renten- und alterssicherungspolitischen Sprechers der Linksfraktion Matthias W. Birkwald an den Nordkurier lesen.

1.  Wie beurteilen Sie generell den derzeitigen Stand der Reformen, die die Rente langfristig auf eine solide finanzielle Basis stellen sollen?

Erstmal steht die gesetzliche Rente und das sogenannte Umlageverfahren trotz der vielen sich überlagernden Krisen aktuell sehr gut da:

- Die Rentenkasse ist mit 38 Milliarden Euro gut gefüllt.

- Die Beitragseinnahmen liegen in diesem Jahr zehn Milliarden über denen des Vorjahres.

- Trotz der deutlich gestiegenen Zahl der Rentnerinnen und Rentner ist der Beitragssatz zur Rentenversicherung heute nicht höher als Mitte der 1990er-Jahre und niedriger als zur Jahrtausendwende und er wird auch in den kommenden Jahren stabil bleiben.

Aber: Durch das Einfrieren des Rentenniveaus auf 48 Prozent und die verschiedenen Kürzungsfaktoren in der Rentenformel bleiben die Renten zu weit hinter den Löhnen zurück und die galoppierende Inflation führt zu großen Einbußen.

Die Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rente ist nicht mehr gesichert. Es fehlt ein langfristiges Finanzierungskonzept für eine Wiederanhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent. DIE LINKE fordert  eine einmalige und zusätzliche Rentenerhöhung um zehn Prozent. Die wäre durch moderate Beitragssatzerhöhungen auch sofort und dauerhaft finanzierbar. Durchschnittsverdienende und ihre Chefinnen und Chefs würden aktuell dann jeweils 32,86 Euro im Monat mehr bezahlen müssen. Dafür erhielten alle heutigen Rentnerinnen und Rentner zehn Prozent mehr Rente und die heutigen Versicherten selbst später ebenfalls.

 

2. Wie beurteilen Sie die geplante Aktienrente? Reichen die 10 Milliarden Euro aus oder muss hier mehr getan werden? (Bei steigenden Zuschüssen aus Steuergeldern im dreistelligen Milliardenbereich scheint ein Grundstock von 10 Milliarden auf den ersten Blick äußerst gering).

Zunächst muss man die staatlichen Zuschüsse zur Rente ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung und den steigenden Steuereinnahmen setzen. Dann zeigt sich, dass der Anteil, den die Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rente an den Steuereinnahmen des Bundes ausmachen – wie sich also die Ausgaben im Verhältnis zu den Einnahmen verhalten –, seit 2004 von 42 Prozent auf 30 Prozent (2019) zurückgegangen ist und nach der Finanzplanung des Bundes bis 2026 stabil bei 30 Prozent bleiben wird. Die Rentenausgaben des Staates explodieren also nicht, sondern stagnieren angesichts der demographischen und sozialpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre.

Aus dieser Perspektive ist es gut, dass vom ursprünglichen FDP-Konzept, Beiträge der Versicherten am risikobehafteten Kapitalmarkt anzulegen und damit auch die Rentenanwartschaften direkt vom Aktienmarkt abhängig zu machen, nichts mehr übrig geblieben ist. Da jetzt nur ein zusätzlicher Bundeszuschuss für die gesetzliche Rente in den 30er Jahren geöffnet werden soll, kann man entspannt abwarten, wie sich die Rückflüsse aus den Darlehen des Staates auf dem Kapitalmarkt entwickeln werden. Aber ihr Beitrag zu einer stabilen Finanzierung der gesetzlichen Rente wird angesichts der Herausforderungen gering bleiben.

 

3. Was sind generell Ihre größten Kritikpunkte an den derzeitigen Plänen und ihrer Umsetzung?

Die Ampel träumt davon, zukünftig viele Milliarden Euro kreditfinanziert zu beschaffen und auf den Aktienmärkten zu parken, um angeblich in zehn Jahren aus Zinsen bzw. Renditen, die Darlehen zu tilgen und die gesetzliche Rente zu finanzieren.

Diese Wette auf die Zukunft der gesetzlichen Rente ist zu riskant; denn im Unterschied zum DAX entwickeln sich die Beitragseinnahmen und damit die Rentenfinanzen aktuell sehr gut.

Ich sage: Wir brauchen nicht erst in zehn oder 20 Jahren, sondern jetzt ein Finanzierungskonzept und dazu müssen die Unternehmen stärker zur Finanzierung herangezogen werden.

In Deutschland teilen sich Arbeitgeber und Beschäftigte die Beiträge zur Rentenkasse zur Hälfte, in Schweden hingegen zahlt der Arbeitgeber oder Arbeitgeberinnen 60 Prozent und auch in Österreich werden sie überproportional an der Finanzierung beteiligt – seit 20 Jahren. Was im europäischen Ausland geht, muss auch bei uns gehen.

 

4. Ändern die wirtschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Monate - Inflation, ein global verändertes Zinsumfeld - etwas an der Idee, Teile der Rente aus Erträgen aus dem globalen Kapitalmarkt zu finanzieren?

Ja, die Inflation verschärft die  Einkommenssituation der Rentnerinnen und Rentnern massiv. Rentenerhöhungen von drei oder fünf Prozent verpuffen dann komplett. Aktuell sieht man außerdem, dass die Aktienkurse bei jeder Leitzinserhöhung der Notenbanken fallen und aufgrund des Krieges sehr viel Unsicherheit auf den globalen Märkten herrscht. Nicht nur in diesem Umfeld sollte sich der Staat davor hüten, auf den Aktienmärkten aktiv zu werden.

Kapitalmärkte sind hoch volatil, dereguliert und reagieren chaotisch, aber den Arbeitsmarkt und damit die Beitragseinnahmen, kann der Staat durch  eine sinnvolle Einwanderungspolitik, durch verbesserte Kinderbetreuungseinrichtungen, eine aktive Lohnpolitik und eine umverteilende Steuerpolitik langfristig und positiv beeinflussen. Die Ampel muss es nur wollen und nicht dem FDP-Mythos des schlanken Staates hinterhereifern.