Der Artikel zu den politischen Schwerpunkten und der Biographie von Matthias W. Birkwald mit dem Onlinemagazin Report K ist hier abrufbar.
Bundestagswahl 2021: Der linke Rentenmann – Matthias W. Birkwald
Köln | Matthias W. Birkwald ist rentenpolitischer Sprecher der Linken im Deutschen Bundestag und Direktkandidat im Wahlkreis Köln II, also Lindenthal, Rodenkirchen und die südliche Innenstadt. Birkwald ist ein Zahlenakrobat und kann aus dem Stand heraus bis auf die Kommastelle genau über die Rente – ein Thema das uns alle angeht – und ihre Finanzierung sprechen. Mit report-K hat er dies getan.
"Ich war schon sehr früh auf Gerechtigkeit programmiert, auch schon bei den Pfadfindern", beschreibt Matthias W. Birkwald, Linker Bundestagsabgeordneter, seine Affinität für Politik. In der Schule mauserte er sich zum Klassensprecher, Schulsprecher und engagierte sich bei den JungdemokratInnen/Junge Linke. Schon mit dem Abitur und Leistungskurs Sozialwissenschaften deutete sich die Richtung für Birkwald an, die dann in ein Studium der Politikwissenschaften, Soziologie bis hin zu politischer Philosophie mündete. "Ich war 12 oder 13 als mein Vater als Versicherungsbetriebswirt mir die Sterbetafeln der deutschen Versicherer erläuterte. Mein Entschluss stand fest: Ich will 90 werden." Birkwald wird persönlicher Mitarbeiter von Heidi Knake-Werner, die stellvertretende Ausschussvorsitzende im Ausschuss Arbeit und Soziales war. Eine Position, die heute Birkwald inne hat. Der blickt damit auf 27 Jahre intensiver Beschäftigung mit dem Thema Soziales und auch Rente zurück. 2009 sollte Birkwald das Gesundheitsthema übernehmen, kämpfte aber um sein Politikfeld "Rente", denn dieses, so begründet er seine Leidenschaft, betreffe fast die gesamte Bevölkerung in Deutschland.
Eine Alternative, etwa die CDA innerhalb der CDU, kam für Birkwald nicht in Frage. Der begründet dass mit dem "C", dass ihm zu sexualitätsfeindlich war, sondern er stehe für Selbstbestimmtheit. Zwei Jahre gehörte Birkwald auch einmal der FDP an, der damals ein Anhänger der Freiburger Thesen, dem damaligen Grundsatzprogramm der FDP 1971 war. Die FDP sei einmal eine linke Kraft gewesen, zwar nur kurz, aber immerhin, konstatiert Birkwald, dem es immer wichtig war für soziale Gleichheit und Gerechtigkeit, aber auch für Freiheit und Selbstbestimmung einzutreten. Bei den JungdemokratInnen lernte Birkwald Gregor Gysi kennen, dessen Charme er erlag. Birkwald engagiert sich seit 1986 bei der IG Metall und legte deren Grundsatzprogramm und das der JungdemokratInnen übereinander und stellte fest, dass es riesige Überschneidungen mit dem Programm der PDS gab. "Dann hat mich Gregor Gysi höchstpersönlich in die PDS geholt", sagt der Kölner Bundestagsabgeordnete.
Das Rententhema
Für Birkwald kommt das Thema Rente in diesem Wahlkampf viel zu wenig vor, weil so viele Menschen heute und in Zukunft betroffen sind. Hintergrund ist für Birkwald, dass die SPD im Kern nichts ändern will und nur an einigen kleinen Stellschrauben drehen will. Es soll so bleiben wie es ist mit dem Slogan "Stabile Renten" und das sei, so der Linke, für viele Menschen extrem mickrig. Der CDU attestiert Birkwald, dass diese noch schlechtere Renten wolle und daher hätten die beiden großen Parteien kein gesondertes Interesse daran, darüber zu reden. Bei den Grünen sei das Soziale deutlich nicht der Schwerpunkt.
Birkwald fordert für Deutschland eine eink- und vermögensgeprüfte Solidarische Mindestrente von 1200 Euro netto und freut sich, dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vor der Bundestagswahl Österreich und die Niederlande als Vorbilder benannte. CDU, SPD und Grünen wirft Birkwald vor, die gesetzliche Rente nicht wirklich stärken zu wollen.
Die bessere Rentenpolitik
Seit 2001 wird das Rentenniveau abgesenkt, dass aktuell bei 48,3 liegt. Bis 2045 werde dies, wenn nichts geschehe, auf 42,2 absinken. Birkwald zitiert hier die SPD-Frau Andrea Nahles, die sich traute dies berechnen zu lassen. 2000 lag das Rentenniveau bei 53 Prozent – ein Wert der nach Expertenmeinung den Lebensstandard in Deutschland absichert. Die Linke fordert daher die Erhöhung auf dieses Niveau innerhalb einer Legislatur. Argumente, dies sei nicht finanzierbar lässt Birkwald nicht gelten. Birkwald rechnet dies für eine/n Standardrenter*in mit 45 Entgeltpunkten vor, wenn das Rentenniveau von 48,3 auf 53 erhöht wird: Dies würde 133 Euro mehr netto als Standardrente im Monat bedeuten. Das wären in vier Jahren eine Rentenerhöhung um knapp zehn Prozent. Die Linke will das so finanzieren: Zum einen soll Riester freiw aufgegeben werden und die Menschen das bereits angesparte Riester-Geld auf ihr persönliches Rentenkonto bei der Deutschen Rentenversicherung einzahlen können. Zum zweiten sollen Durchschnittsverdienende monatlich statt der Riesterbeiträge 34 Euro mehr in die gesetzliche Rente einzahlen und ihr Chef auch. Dieser Betrag ist berechnet auf ein Durchschnittseinkommen von 3461,75 Euro. Dann hätten diese Durchschnittsverdiener 90 Euro mehr in der Tasche. Also 124 Euro weniger in den Riestervertrag, 34 Euro mehr in die gesetzliche Rente, 34 Euro mehr in die Rente durch den Chef macht für den Beschäftigten 90 Euro mehr. Damit kann sie oder er tun oder lassen was er will. Birkwald ist sich sicher, dass dieses System, vorausgesetzt es gibt gute Löhne und Tarifabschlüsse in Deutschland, auch in Zukunft durch Wachstum funktionieren werde.
Zwei weitere Aspekte gehören, laut Birkwald, zu einem seriösen Rentenkonzept. Die Linke will die sogenannte Grundrente reformieren. Bei der Mütterrente will Die Linke, dass für alle Kinder knapp 103 Euro auf das Rentenkonto kommen. Dies soll auch im Osten in gleicher Höhe gelten. Für Hartz IV Betroffene müsse gelten, dass für sie die Hälfte des Durchschnittsverdienstes angesetzt wird und für Menschen, die andere pflegen, muss mehr in die Rente fließen, also den Solidarausgleich stärken. Die Linke will eine Erwerbstätigenversicherung einführen. Das bedeutet: alle Menschen mit einem Erwerbseinkommen sollen in die Rentenversicherung einzahlen. Zuerst sollen dies die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, geht es nach der Linken, verpflichten. Auch die Beamten sollen über einen langen Zeitraum eingebunden werden, wie es in Österreich funktionierte. "Wenn man das macht bekommt man ja über Selbstständige, Freiberufler oder Abgeordnete Menschen mit sehr hohen Einkommen in die gesetzliche Rentenversicherung. Daher soll die Beitragsbemessungsgrenze drastisch angehoben werden. In mehreren Schritten will die Linke diese Grenze, die heute bei 7.100 liegt, verdoppeln", so Birkwald.
Die Linke will sehr hohe Renten abflachen und eine Beitragsäquivalenzgrenze einführen. Dies bedeutet: Renten, die heute über dem Niveau von 3.200 Euro liegen im höchsten verfassungsmäßig zulässigen Maße abzuflachen. Laut eines Rechtsgutachtens, dass Die Linke in Auftrag gab, scheint dies möglich. Die Linke hat auch einen Alternativvorschlag für Riester: Freiwillige Beiträge sollen in die Rente einfließen können bis zu einer Höhe von 10.000 Euro pro Jahr. Das wäre die Höherversicherung, die es schon einmal gab. Auch hier sei wieder Österreich das Vorbild.
Spätestens mit 65 in Rente
Die Linke und Birkwald wollen, dass alle Menschen spätestens ab 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können und dies sei auch finanzierbar. Denn Durchschnittsverdienenden mit brutto 3461,75 Euro im Monat würde dies derzeit 8,65 Euro mehr pro Monat kosten. Birkwald nennt dies eine überschaubare Zahl von Kölsch und auf dem Oktoberfest bekäme man dafür noch nicht einmal eine Maß Bier. Die Regelaltersgrenze ist Birkwald daher so wichtig, da 17 Prozent der Menschen vor ihrem 67. Lebensjahr versterben und 20 Prozent vor ihrem 69. Lebensjahr. Diejenigen mit den harten Jobs, die eben nicht bis 28 studierten, müssten dann nicht 47 bis 49 Jahre arbeiten. Sie sterben aber im Durchschnitt bei den Männern 8,6Jahre eher als ihre reichen Altersgenossen und die ärmsten Frauen in dieser Alterskohorte sterben 4,4 Jahre früher. "Die mit den niedrigen Einkommen haben die härteren Jobs und werden durch eine kürzere Lebenserwartung mit einer kürzeren Rentenbezugsdauer bestraft und dann die Regelarbeitsgrenze noch einmal anzuheben, das ist unsozial", so Birkwald.
Die Erwerbsminderungsrenten müssen armutsfest gestaltet werden, geht es nach Birkwald und der Linken. Diese soll um elf Prozent angehoben werden. Die Ostrenten sollen vollständig angeglichen werden. All das reiche, so Birkwald aber noch nicht für eine armutsfeste Rente im Sinne der europäischen Union aus. Die EU rechnet für eine armutsfeste Rente in Deutschland mit einem monatlichen Betrag von 1.176 Euro und nicht das Rentner-Hartz-IV von 835 Euro aus. Daher fordert Die Linke eine einkommens- und Vermögens geprüfte Solidarische Mindestrente von 1.200 Euro netto.
Birkwald sagt: "Für mich als Linken gilt: Ich muss an Alle denken und vor Allem an die, die die kleinen und mittleren Einkommen haben und dafür hat sich das Umlagesystem als das Beste gezeigt.“
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