DIE LINKE im Bundestag
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Matthias W. Birkwald

„Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Betriebsrenten – Doppelverbeitragung abschaffen“

Rede von Matthias W. Birkwald im Plenum des Deutschen Bundestages

11.10.2018
Redebeitrag von Matthias W. Birkwald (Die Linke) am 11.10.2018 um 12:49 Uhr (55. Sitzung, TOP 6)

LINKS wirkt. Wir haben mit unserem Antrag "Doppelverbeitragung von Betriebsrenten abschaffen" die Debatte nach Jahren des Leugnens und Zauderns komplett gedreht. Bis auf die CSU sind mittlerweile alle Bundestagsparteien für ein Abschaffung. Jetzt muss die Große Koalition endlich liefern! forderte Matthias W. Birkwald heute im Deutschen Bundestag.

Die Rede von Matthias W. Birkwald dokumentieren wir nachfolgend hier als Text:

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den Begriff des Skandals verwende ich ja sparsam, aber die doppelte Belastung von Direktversicherungen mit Krankenkassenbeiträgen, die ist nun wirklich ein dicker sozialpolitischer Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit Jahren machen entrüstete Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner lautstark auf diesen Skandal aufmerksam. Zu kaum einem Thema erreichen uns mehr kopfschüttelnde, entsetzte oder wütende Protestbriefe, Anrufe oder E-Mails. Kaum eine Betroffenengruppe ist so gut organisiert wie der Verein der Direktversicherungsgeschädigten. Darum haben die Betroffenen und wir LINKEN Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, bei diesem Thema mit allen parlamentarischen Mitteln, mit Anträgen, Anfragen, zwei öffentlichen Anhörungen und mit Presse- und Fernsehberichten heftig unter Druck gesetzt.

Nur zur Erinnerung: Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2003 wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion beschlossen, dass auf Bezüge aus der betrieblichen Altersvorsorge, wie zum Beispiel Direktversicherungen, von den betroffenen Rentnerinnen und Rentnern zweimal Krankenkassenbeiträge bezahlt werden müssen, nämlich die für den Betriebsrentner und die für seinen nicht mehr vorhandenen Arbeitgeber. Das heißt: Von zum Beispiel 597 Euro Direktversicherungsrente muss Reinhard M. aus Heilbronn jeden Monat 107,16 Euro, also 18 Prozent, an Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bezahlen - eine Kürzung um fast ein Fünftel!

Und auf wessen Mist ist diese zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit gewachsen? Auf dem Mist des CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer aus Bayern und der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, SPD.

(Rudolf Henke (CDU/CSU): Das ist Wahlkampf, nicht?)

Im Unterschied zu dem sogenannten halben Beitragssatz, den Rentnerinnen und Rentner für ihre gesetzlichen Renten zahlen müssen, muss bei Betriebsrenten seitdem der sogenannte volle Beitragssatz gezahlt werden. Besonders skandalös: Diese Regelung traf rückwirkend auch Verträge, die bereits vor 2004 abgeschlossen worden waren. Das war eine kalte Enteignung über Nacht, und die darf es nicht geben.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP)

Dabei wurde seit der Jahrtausendwende immer wieder für das Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung geworben. Da kann ich nur sagen: erst angelockt, dann abgezockt. Das muss ein Ende haben!

(Beifall bei der LINKEN)

Aber nicht nur die Höhe der Krankenkassenbeiträge bringt viele Betroffene auf die Barrikaden, sondern auch, dass sie ihre Beiträge oft aus schon verbeitragtem Nettoeinkommen und mit nur geringer Arbeitgeberbeteiligung angespart hatten. Oft gilt übrigens auch: Die Chefin oder der Chef hat keinen Cent dazu bezahlt. - Was ist daran noch betriebliche Altersversorgung?

Dieser Skandal, lieber CSU-Kollege Max Straubinger - den sehe ich leider gerade nicht -, wurde 2004 direkt vom CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer verursacht; man kann das gar nicht oft genug sagen. Bis heute ist es die CSU, die ein Ende dieses Skandals verhindert.

Darum, meine Damen und Herren in Bayern, die Sie uns jetzt zuschauen: Wenn Sie selbst Beiträge in eine Betriebsrente einzahlen, dann dürfen Sie am kommenden Sonntag bei der Landtagswahl auf gar keinen Fall, wirklich auf gar keinen Fall, CSU wählen. Die CSU will Ihnen nämlich weiterhin fast 20 Prozent von Ihrer Betriebsrente abknöpfen.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP - Rudolf Henke (CDU/CSU): Wie plump! Das ist so was von plump! Unglaublich! Missbrauch des Bundestags für Wahlkampf!)

Wir Linken sagen hingegen: Ein Arbeitnehmer- und ein Arbeitgeberbeitrag für die Krankenversicherung in der Ansparphase reichen völlig aus. In der Auszahlungsphase sollen dann gar keine Beiträge mehr fällig werden. Die Doppelverbeitragung muss abgeschafft werden. Also, liebe Bayern mit Betriebsrente: Wählen Sie am Sonntag am besten DIE LINKE!

(Beifall bei der LINKEN - Rudolf Henke (CDU/CSU): Plump, plump, plump!)

Liebe CSU, liebe SPD, wenn Sie schon nicht auf uns und die Unmengen von Betroffenen hören, dann hören Sie doch wenigstens, Herr Kollege Henke, auf den Verwaltungsausschuss des GKV-Spitzenverbands. Der forderte am 30. August den Gesetzgeber, also Sie und uns, auf, für pflicht- und freiwillig versicherte Empfänger von Versorgungsbezügen wieder den halben Beitragssatz anzuwenden. Also: Selbst die Krankenkassen wollen zum alten Gesetz zurückkehren, liebe CSU, und schlagen sogar konkret vor, dies im Rahmen des GKV-Versichertenentlastungsgesetzes zu tun, was wir aktuell im Bundestag beraten.

Ich frage Sie als CSU und als CDU: Warum setzen Sie das nicht sofort um?

(Beifall bei der LINKEN)

Oder wollen Sie etwa darauf warten, dass der Antrag Ihrer CDU-Mittelstandsvereinigung vom 6. Juli auf dem CDU-Parteitag im Dezember beschlossen wird? Denn der fordert klipp und klar: halber Beitragssatz und Umwandlung der bisherigen Bagatellgrenze von 152,25 Euro in einen echten Freibetrag für alle. Das wären echte erste Schritte zur Lösung des Problems, die auch wir Linken unterstützen würden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das ist auch exakt der Tenor des Beschlusses der NRW-Landesgruppe vom 11. Juni - der CDU? Nein, der SPD. Eine Umfrage der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ bei allen Bundestagsparteien ergab, dass sich alle, wirklich alle Parteien außer der CSU für eine Abschaffung der Doppelverbeitragung oder zumindest für die Einführung eines echten Freibetrages für alle Betriebsrenten aussprachen. Also: DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen, die FDP, die SPD und auch die CDU wollen das Problem ganz oder teilweise lösen. Sind Ihnen die Argumente der vielen Tausenden von Betroffenen, der Krankenkassen, der Gewerkschaften, der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber egal?

Ich glaube, das reicht jetzt mit Argumenten. Es gibt keinen einzigen nachvollziehbaren Grund mehr, die ungerechte doppelte Verbeitragung aufrechtzuerhalten. Ich sage: CDU und SPD dürfen sich nicht weiter von der CSU in Geiselhaft nehmen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schaffen Sie die Doppelverbeitragung zum 1. Januar 2019 ab, und finden Sie eine Entschädigungslösung für die Altfälle, oder erklären Sie den Menschen hier und jetzt, warum Sie das alles nicht tun werden und was genau Sie daran noch hindert!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Rudolf Henke (CDU/CSU): Was für eine Keilerei!)