DIE LINKE im Bundestag
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Matthias W. Birkwald

Zwangsverrentung abschaffen und Altersarmut bekämpfen

Meine Rede im Deutschen Bundestag zu Protokoll

28.09.2018
Matthias W. Birkwald: "Eine gute Rente ist möglich und finanzierbar!"

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verkündete am 14. September 2016 auf seiner Homepage: „BMAS-Verordnung schafft "Zwangsverrentung" ab!“

Das ist falsch und ich fordere Sie auf, diese Falschdarstellung entweder zu korrigieren oder - und das wäre die beste aller Lösungen: Sie schaffen die zwangsweise Frühverrentung von Hartz-IV-Beziehenden endlich komplett ab!

Die Zwangsverrentung zwingt Hartz-IV-Beziehende am Ende eines langen und oft auch beschwerlichen Arbeitslebens in Renten mit lebenslangen Abschlägen.

Die Jobcenter fordern in diesem Jahr den Jahrgang 1954 auf, die vorgezogene Altersrente ab 63 Jahren und 8 Monaten zu beantragen und dann ein Leben lang Abschläge von knapp 10 Prozent hinzunehmen.

Bei einer durchschnittlichen Rentenbezugsdauer von Männern mit 17 Jahren und 8 Monaten, summieren sich die Abschläge bei einer Bruttorente von 1.200 Euro auf über 25.000 Euro!

Das führt Viele an den Rand von oder direkt in Altersarmut.

Das schiebt Menschen, die Hoffnung auf Arbeit haben, endgültig aufs Abstellgleis.

Die Zwangsverrentung ist neben den skandalösen Sanktionen, neben den oft drangsalierten Bedarfsgemeinschaften, neben den entwürdigenden Regelsätzen und vielen anderen Schikanen ein weiterer Grund für Frust und ein Grund für uns LINKE zu sagen: Hartz IV muss weg!

Die Bundesregierung behauptete ja, die Zwangsverrentung abgeschafft zu haben, weil jetzt Menschen, denen aufgrund der Abschläge Grundsicherungsbezug droht, von der Zwangsverrentung ausgenommen werden.

Das Ministerium und die Bundesagentur für Arbeit verweigern uns seit Jahren konkrete Zahlen dazu, wie viele solcher Aufforderungen zur Zwangsverrentung sie trotz ihrer angeblichen Entschärfung immer noch verschicken.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat deshalb in einer Studie die Abgangszahlen aus Hartz IV verglichen und kommt zu dem Schluss, dass sich die Zahlen gegenüber 2012 immer noch verdoppelt haben und trotz Entschärfung im Jahr 2017 immer noch knapp 50.000 - 80.0000 Hartz IV Beziehende vorzeitig in Rente geschickt wurden.

Schon jetzt summiert sich die Zahl der mit zum Teil hohen Abschlägen verrenteten SGB-II-Bezieher auf eine sechsstellige Zahl.“ [1]

Ihre Entschärfung wirkt also nicht!

Die Zwangsverrentung widerspricht weiterhin all ihren Bekenntnissen vom Fördern, vom längeren Arbeiten, vom Fachkräftemangel und so weiter.

Liebe Koalition, kümmern Sie sich um ältere Arbeitslose. Bringen Sie sie in Arbeit. Fördern Sie sie statt sie zu drangsalieren.

Zahlen Sie – auch das ist wichtig – endlich wieder Rentenbeiträge in Höhe eines halben Entgeltpunktes für Hartz-IV-Zeiten.

Hören Sie auf Ältere zu drangsalieren, sie mit Abschlägen zu bestrafen und sie in Rente abzuschieben!

Schaffen Sie also die Zwangsverrentung endgültig ab!

[1]  Paritätische Forschungsstelle, Zwangsverrentungen im SGB II. Eine empirische Abschätzung der Auswirkungen auf Bestand und Abgänge von älteren SGB-II-Leistungsberechtigten. Kurzexpertise Nr. 3 /2018