Am 27.11.2017 nahm ich an der Verleihung des Staatspreises des Landes Nordrhein-Westfalen im Kölner Gürzenich teil.
Der Staatspreis, die höchste Auszeichnung des Landes, wurde in diesem Jahr an den Kölner Schriftsteller Navid Kermani verliehen.
Ich erinnere mich mit großer Freude der Rede, die der deutsch-iranische Schriftsteller 2014 im Deutschen Bundestag zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes gehalten hat. Es war eine ungeheure Rede, voller Liebe, Wut und beeindruckendem Engagement für Geflüchtete.
Damals stellte der Geehrte fest, dass das Grundgesetz vor 65 Jahren eher Bekenntnis war, als dass es die Wirklichkeit in Deutschland beschrieben hätten.
Frauenrechte, Persönlichkeitsentfaltung, das Vertrauen in Europa – die meisten Deutschen selbst waren noch nicht so weit, aber die Verfasser*innen des Grundgesetzes trauten es ihnen zu. So ist dieses alte Gesetz von 1949 gleichzeitig ungemein progressiv und optimistisch. Es hat "Wirklichkeit geschaffen", sagte Kermani.
Auch heute - im November 2017 - haben seine Worte zum Asylparagraphen noch Gültigkeit, wenn er schon 2014 sagt "dieser geriet 1993 zu einer monströsen Verordnung aus 275 Wörtern, die wüst aufeinander gestapelt und fest ineinander verschachtelt wurden, nur um eines zu verbergen: dass Deutschland das Aysl als Grundrecht quasi abgeschafft hat".
Im Mittelmeer ertrinken heute Tausende Menschen, weil die Grenzen zur EU für sie zu hoch sind. Dass sich daran nichts, aber auch gar nichts ändert, ist eine Schande, die Kermani zu Recht jedem deutschen Abgeordneten ins Gesicht gerufen hat und noch immer ruft.
Und trotzdem umarmte Kermani dieses Land, "das ist ein gutes Deutschland", sagt er. Er schämt sich dafür, dass er als Muslim im Bundestag reden durfte, aber Christen in seiner anderen Heimat, dem Iran, fast gar nichts dürfen. "Ohne es eigentlich zu merken, hat die Bundesrepublik (…) eine grandiose Integrationsleistung vollbracht", sagt Kermani.
Navid Kermani ist für mich einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller unserer Zeit. Die Verleihung des Staatspreises des Landes Nordrhein-Westfalen ist seiner mehr als würdig!
Der Staatspreis wurde 1986 als höchste Auszeichnung des Landes Nordrhein-Westfalen gestiftet. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.
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