DIE LINKE im Bundestag
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Matthias W. Birkwald

Abschließende Beratung zum Optimierten Meldeverfahren in der sozialen Sicherung

Protokollrede

07.07.2016

Zu Protokoll gegebene Rede von Matthias W. Birkwald MdB, DIE LINKE. vom 07. Juli 2016, TOP 27 zur abschließenden Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (6. SGB IV-Änderungsgesetz – 6. SGB IV-ÄndG) (BT-Drucksachen: 18/8487)

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/-in!

Meine sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit dem 6. SGB IV Änderungsgesetz und weiteren Gesetzesänderungen aus völlig wesensfremden Bereichen haben Sie uns heute hier wieder einen echten “Omnibus“ aufgetischt.

Nein, hier geht es nicht um ein Beförderungsmittel, sondern schlicht um die Tatsache, dass Sie zusätzlich mit dem im Ausschuss für Arbeit und Soziales eingebrachten Änderungsantrag weitere „Passagiere“ an Bord genommen haben. Dabei handelt es sich bei einigen um blinde Passagiere, die es bei einer separaten Gesetzgebung niemals an Bord des eigentlichen Gesetzvorhabens, nämlich der Optimierung des Meldeverfahrens in der sozialen Sicherung, geschafft hätten.

Da in der ersten Beratung am 02. Juni bereits das Wesentliche zu den Inhalten gesagt wurde, konzentriere ich mich deshalb auf die zentralen Punkte Ihres Änderungsantrages, die mit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales heute noch in das Gesetz einfließen sollen.

So wollen Sie die Dienstunfallfürsorge für Beamtinnen und Beamte des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, also des BMAS und dessen nachgelagerten Behörden auf die „Unfallversicherung Bund und Bahn“ übertragen. Zunächst in einem Modellprojekt bis 2020. Sie begründen dies mit den einheitlichen Grundsätzen und der ganzheitlichen Versorgung durch die Unfallkasse, die das BMAS nutzen will. Daran ist zunächst nichts auszusetzen, solange das BMAS dann auch für die Kosten aufkommt, die der Unfallversicherung Bund und Bahn entstehen. Das haben Sie, verehrte Frau Staatssekretärin Lösekrug-Möller, in der gestrigen Ausschusssitzung mündlich zugesagt. Ich gehe davon aus, dass es bei dieser Zusage auch für die Zukunft bleiben wird.

Mit der geplanten Änderung des Arbeitszeitgesetzes wollen Sie zudem bestehende bessere tarif- und arbeitsrechtliche Regelungen für die Beschäftigten in der Binnenschifffahrt in Deutschland per Rechtsverordnung öffnen. Und das, obwohl die EU-Sozialpartner unter Billigung der Kommission bei der Binnenschifffahrtsrichtlinie festgelegt hatten, dass trotz einheitlicher Regelungen in der EU bessere nationale Regelungen bestehen bleiben sollen. Zugleich wollen Sie aber wiederum den Tarifvertragsparteien, die Möglichkeit einräumen, per Tarifvertrag von der Rechtsverordnung abzuweichen. Uns ist nach wie vor nicht ganz klar, wozu die Regelung notwendig ist, wenn die Sozialpartner mit der auf der EU-Ebene gefundenen Regelung voll und ganz zufrieden sind.

Bereits in der ersten Beratung hatte ich die geplanten Änderungen bei den Anlagemöglichkeiten für die Altersrückstellungen der gesetzlichen Kranken- und Unfallkassen kritisiert. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, bis zu zehn Prozent der Altersrückstellungen in Aktien anlegen zu dürfen. Mit dem Änderungsantrag werden nun auch die Altersrückstellungen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung erfasst. Nach Angaben des Bundesversicherungsamts addieren sich die Altersrückstellungen allein der Krankenkassen auf 4,7 Milliarden Euro, von denen künftig also bis zu 470 Millionen Euro in Aktien angelegt werden dürfen.

Die SPD-Kollegin Hiller-Ohm sagte in der Ausschussberatung, dass, ich zitiere aus der Beschlussfassung des Ausschusses:

„bei der Anlagemöglichkeit von Altersrücklagen in Aktien ebenfalls sichernde Maßnahmen getroffen worden seien, indem hochspekulative Aktien ausgeschlossen würden und das Anlagekapital auf zehn Prozent begrenzt werde“.

Diese Passage finden Sie auf Seite 12 der Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9088. Der zuständige Referatsleiter im BMAS antwortete jedoch auf meine Frage, ob perspektivisch der Aktienanteil ausgeweitet werden solle, dass dies zumindest für den Versorgungsfonds des Bundes, den es seit 2007 für Bundesbeamte und –beamtinnen gibt, geplant sei. Insofern scheint mir die Gefahr sehr groß zu sein, dass der erlaubte Aktienanteil kurz nach der Einführung auch für die Altersrückstellungen der gesetzlichen Kranken- und Unfallkassen verdoppelt werden wird. Dies steht zu befürchten und diesen Wunsch hatte der GKV-Spitzenverband in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf ja bereits geäußert.

Im Übrigen: Der Bundesrat sieht das genauso wie wir LINKEN. Er moniert, dass es sich bei den Altersrückstellungen um Beitragsgelder, also um Geld aller GKV-Versicherten handelt. Dabei ist in § 80 SGB IV gesetzlich klipp und klar definiert, dass der Grundsatz der Anlagensicherheit Vorrang gegenüber der Erzielung eines angemessenen Ertrages hat. Diesen Grundsatz wollen Sie nun aushebeln. Das halte ich für falsch! Ich bin mir sicher, dass die geplante weitere Ausweitung des Aktienportfolios auf großes Interesse des Bundesrates stoßen wird.

Meine Damen und Herren,

bei einigen Regelungen in diesem Gesetzvorhaben ist der Änderungsbedarf nicht zu erkennen.

Insgesamt hält die Fraktion DIE LINKE die Inhalte des Gesetzpaketes jedoch trotz der problematischen Punkte überwiegend für akzeptabel.

Deshalb werden wir uns insgesamt enthalten.

Vielen Dank!