DIE LINKE im Bundestag
100% sozial
Matthias W. Birkwald

Gleichbehandlung von Adoptiveltern bei der Mütterrente

28.01.2016
Matthias W. Birkwald, DIE LINKE: Gleichbehandlung von Adoptiveltern bei der Mütterrente

Rede von Matthias W. Birkwald MdB DIE LINKE.

zur abschließenden Debatte des Antrages der LINKEN

Erziehungsleistung von Adoptiveltern würdigen – Mütterrente anerkennen“ (BT-Dr. 18/6043)

am Donnerstag, 28. Januar 2016 im Deutschen Bundestag

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Ihr Rentenpaket ist jetzt eineinhalb Jahre alt. Insofern ist es höchste Zeit, dass wir heute einmal über eine Gruppe sprechen, die von Ihrem Rentenpaket überhaupt nicht profitiert. Ganz im Gegenteil. Diese Mütter und Väter werden massiv benachteiligt, Herr Dr. Rosemann. Es handelt sich um Adoptivmütter und Adoptivväter.

Ich spreche hier von den Adoptivmüttern, die bereits vor dem 1. Juli 2014 in Rente waren. Sie gehen bei der sogenannten neuen Mütterrente komplett leer aus, wenn sie ihr vor 1992 geborenes Kind erst nach dessen erstem Geburtstag adoptiert haben. Diese Mütter bekommen keinen Cent Mütterrente. Keinen Cent. Wir Linken sagen: Das ist ungerecht, und das darf nicht so bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, hier geht es nicht nur um bares Geld, sondern auch um die gesellschaftliche Anerkennung für die bewundernswerte Entscheidung, sich dauerhaft um ein Kind zu kümmern und es großzuziehen, und zwar mit allem, was dazugehört. Das ist nicht selbstverständlich. Darum sage ich hier einmal ein großes Dankeschön an alle Adoptiveltern für ihr wertvolles Engagement.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, der Verband der Pflege- und Adoptiveltern geht von sage und schreibe 40 000 Familien aus, denen Sie die sogenannte Mütterrente vorenthalten. Ich sage: Das sind 40 000 Betroffene zu viel.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt doch keinen Grund, die Adoptivmütter bei der Mütterrente leer ausgehen zu lassen. Adoptivmütter wechseln genauso die Windeln ihrer Kinder, wie es leibliche Mütter tun. Adoptivväter kochen genauso gut für ihre Kinder, wie es leibliche Väter tun. Adoptiveltern bringen ihre Kinder genauso in die Kita oder zur Schule, wie es die leiblichen Eltern tun. Deswegen sage ich: Hier muss etwas getan werden, und zwar dringend.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, am 24. September haben wir schon einmal über das Thema der Mütterrente auch für Adoptiveltern debattiert. Damals habe ich an Union und SPD appelliert, die 40 000 Adoptiveltern nicht im Regen stehen zu lassen. Ich habe es damals gesagt, und ich sage es heute: Legen Sie eine gerechte und angemessene Lösung auf den Tisch.

Liebe CDU, der Kollege Matthias Zimmer hatte ja damals gespottet, die Opposition verlöre sich im kleinen Karo. Das war zwar wie immer sehr poetisch, aber auch eine Frechheit für die 40 000 Betroffenen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihr Hinweis auf die Kostenprobleme ist schlicht unredlich. Warum? Bei 40 000 Adoptiveltern, die dann einen zusätzlichen Rentenentgeltpunkt, also weniger als 30 Euro mehr Rente, erhielten, müsste die Versichertengemeinschaft gerade einmal 14 Millionen Euro pro Jahr aufbringen. In der Rentenkasse sind aktuell mehr als 34 Milliarden Euro. 14 Millionen sind gerade einmal 0,04 Prozent davon. Liebe Union, da sage ich: Seien Sie mal nicht geiziger als Finanzminister Schäuble. Das muss drin sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Lieber Kollege Strebl von der CSU - die CSU will ich hier ja nicht vergessen -, Sie haben in der ersten Lesung noch das Horrorszenario an die Wand gemalt, dass 9,5 Millionen Mütterrenten individuell hätten geprüft werden müssen, wenn die Adoptiveltern gleichbehandelt worden wären. Kollege Rosemann sagte das ja auch. Sie haben sogar behauptet, die sogenannte neue Mütterrente hätte dann gar nicht in Kraft treten können.

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Ja, stimmt alles!)

Mit Verlaub, Herr Kollege Strebl, das ist nicht mehr als eine rhetorische Nebelkerze,

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Nein, so ist es!)

und die pusten wir jetzt mal aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir den 40 000 Adoptiveltern die Möglichkeit gäben, einen Antrag auf sogenannte Mütterrente zu stellen, dann würde das die Deutsche Rentenversicherung in diesem klar umgrenzten Fall nicht überfordern, Herr Kollege Strebl. Die Deutsche Rentenversicherung ist nämlich sehr leistungsfähig. Sie bearbeitet rund 3,9 Millionen Renten- und Rehaanträge im Jahr. Um das einmal mit Worten zu sagen, die Ihnen besonders bekannt sind: Die schaffen das!

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Nun komme ich zur SPD. Liebe Dagmar Schmidt, lieber Martin Rosemann, Sie haben in der ersten Lesung und auch gerade immerhin ehrlich zugegeben: Die Regelung für Adoptiveltern ist ungerecht. - Kollegin Schmidt, nur zu sagen, man brauche bei einer so großen Reform pauschale Regelungen, wie wir es auch gerade wieder gehört haben, und die könnten nicht jeden Einzelfall berücksichtigten, bedeutet aber doch, sich nur - husch, husch - herauszureden, und vor allem bringt es den Adoptivmüttern keinen einzigen Cent Mütterrente.

Liebe SPD, 40 000 Mütter und Väter sind doch kein Einzelfall. Sie füllen ein mittelgroßes Fußballstadion. Sehen Sie das doch endlich einmal ein!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Linke bietet eine umsetzbare Lösung für die Adoptiveltern an:

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Eben nicht!)

Adoptivmütter, die ihr Kind nach seinem ersten Geburtstag adoptiert haben, erhalten auf Antrag die neue Mütterrente, also einen zusätzlichen Entgeltpunkt. Das war und bleibt unser Vorschlag. Der ist praktikabel, finanzierbar und vor allem auch sozial gerecht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Kurzintervention in der anschließenden Rede von Peter Weiß MdB (CDU/CSU):

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Lieber Kollege Weiß, danke, dass Sie die Bemerkung zulassen. Sie haben gerade so schön ausgeführt, wie das alles funktioniert.

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):

Ja, man muss es ja einmal erklären.

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Das ist auch in Ordnung. - Sie haben nur den wesentlichen Punkt, um den es in dieser Debatte geht, elegant unter den Tisch fallen lassen.

Wenn beispielsweise eine Frau ein 14 Monate altes Kind adoptiert hat - gehen wir ausschließlich von einer Adoptivmutter aus, nicht von Adoptiveltern -, dann hat diese Adoptivmutter das Kind erzogen, als es 15 oder 20 Monate alt war usw., bis es zum Beispiel zehn oder elf war. Also hat sie, nicht die leibliche Mutter, die wesentliche Erziehungsleistung erbracht. Weil das Kind erst im vierzehnten Lebensmonat und nicht im elften, zehnten oder im vierten adoptiert wurde, bekommt diese Adoptivmutter, die die gesamte Erziehungsleistung - hoffentlich gemeinsam und gleichberechtigt mit ihrem Mann - erbracht hat, keinen Cent von Ihrer schönen Mütterrente. Das müssen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen.

Ehe Sie jetzt immer weiter behaupten, das hätte alles berechnet werden müssen, bitte ich Sie, noch einmal in unseren Antrag zu schauen. Wir haben vorgeschlagen, dass das auf Antrag überprüft werden soll, damit die Rentenversicherung eben nicht alle Akten und Rentenkonten prüfen muss. Das heißt, man müsste die Regelung beschließen und publik machen, und dann kämen sukzessive die Anträge herein. Jetzt erklären Sie mir bitte einmal, warum die Rentenversicherung das nicht schaffen könnte.