DIE LINKE im Bundestag
100% sozial
Matthias W. Birkwald

Für mehr Solidarität in der Alterssicherung und eine solidere Finanzierung der Rente

Kolumne der Woche der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag

21.09.2010

Von Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Eines ist sicher: Die Rente erst ab 67 ist die Fortsetzung der langjährigen Verarmungspolitik mit rentenpolitischen Mitteln. Bereits im Gesetzgebungsprozess zeichnete sich diese Tatsache deutlich ab. So sah sich selbst die neoliberalisierte Sozialdemokratie mit ihrem Bundesarbeitsminister Franz Müntefering genötigt, die Einführung der Rente erst ab 67 mit einem Wenn und Aber zu versehen. In der Fachsprache wird das Wenn und Aber als „Bestandsprüfungsklausel“ bezeichnet. Das klingt vernünftig und ist deshalb geeignet, in jedem Demokratieseminar für wohlige Zustimmung zu sorgen: Die Politik vermag die Folgen ihrer Entscheidungen nicht so genau abzuschätzen und will sie deshalb für die Öffentlichkeit nachvollziehbar überprüfen. Das hört sich nach Kontrolle an. Kontrolle ist die Voraussetzung für Änderungen. Und Änderungen in Folge öffentlicher Kontrolle und Diskussion gehören zum Kernbestand einer Demokratie.

Die Bundesregierung verfolgt drei Strategien, mit der Überprüfung umzugehen: die Trickser-Variante, die Basta-Variante und die Sachzwang-Variante.

Erstens: Die Überprüfung wird gar nicht wirklich vorgenommen, weil zum Beispiel Kriterien unzureichend vorhanden sind, ganz fehlen oder im Alleingang von der Bundesregierung nach Gutdünken so festgelegt und gedeutet werden, dass sie die Politik der Rente erst ab 67 bestätigen. Das ist die Trickser-Variante. So greift die Bundesregierung regelmäßig auf Zahlen zurück, die belegen sollen, dass sich die Arbeitsmarktlage für Ältere verbessere. Das lausig niedrige Niveau, auf dem diese Verbesserungen stattfinden, erwähnt sie lieber nicht. Ausschlaggebend muss die Situation unmittelbar vor der Altersgrenze sein. Doch die gleicht einem Trauerspiel.

Zweitens: Ein Bericht wird pflichtgemäß geliefert. Kontrolle und Diskussion zur Rente erst ab 67 werden ermöglicht. Aber Änderungen werden ausgeschlossen. Das ist die Basta-Variante. Sie braucht keine Zahlen: „Die politische Entscheidung über die Rente mit 67 ist gefallen.“ Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ließ das Anfang August 2010 einen Sprecher verkünden. Und der heutige Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium basta-te bereits ein Jahr zuvor: „Es wird dabei bleiben, egal wie die Beschäftigung Älterer aussieht. Es macht Sinn, sie zu steigern.“

Drittens: Es wird so getan, als sei die Rente erst ab 67 notwendig und alternativlos. Eine Überprüfung dient allenfalls dem Feinschliff des Notwendigen. Das ist die Sachzwang-Variante. Sie wird immer dann gewählt, wenn Diskussionen im Keim erstickt oder vorab im Ergebnis festgelegt werden sollen. Demokratie und Politik werden hier zu Polstermaterial des Notwendigen. Der Sachzwang der Rente erst ab 67 sei demographisch. Es wird vorgetäuscht, dass die demographische Entwicklung allein bestimmend sei für Wohl und Wehe der Alterssicherung.

Die Kritik der Fraktion DIE LINKE an der Rente erst ab 67 setzt an allen drei Strategien an. Die Basta-Politik ist der Tod der Demokratie. Demokratie setzt soziale Gerechtigkeit voraus. Doch wo Armut herrscht, fehlt soziale Gerechtigkeit.

Die Voraussetzungen der Rente erst ab 67 stimmen nicht. Das ist richtig. Die Trickserei muss immer wieder aufgedeckt werden. Aber noch grundsätzlicher und wichtiger ist: Demographie erzeugt keinen Automatismus in der Rentenversicherung. Ob die Rente auch bei steigender Lebenserwartung finanzierbar bleibt und das Rentenalter von 65 Jahren beibehalten werden kann, ist nicht eine Frage des demographischen Verhältnisses von Alt zu Jung, sondern von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu Rentenbezieherinnen und Rentenbeziehern, von der Entwicklung der Produktivität sowie der Verteilung von Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung und nicht zuletzt von einer gerechten Finanzierung des Rentensystems.

Es gibt Alternativen – für mehr Solidarität in der Alterssicherung und eine solidere Finanzierung der Rente. DIE LINKE fordert eine solidarische Erwerbstätigenversicherung. Ob nun bereits heute Versicherungspflichtige, Selbständige, Beamtinnen und Beamte, Ministerinnen und Minister und Abgeordnete – alle Erwerbstätigen sollen unter Wahrung des Bestandsschutzes zukünftig in die solidarische Erwerbstätigenversicherung einbezogen werden.