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Matthias W. Birkwald

Erwerbsminderungsrenten endlich auch für den älteren Bestand anheben!

Antwort der Bundesregierung auf meine Frage: 70.000 Erwerbsminderungsrenten werden jedes Jahr in Altersrenten umgewandelt

18.03.2022

Die Ampel hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen,  die Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten, die bisher nur für Neurentnerinnen ab 2014 wirksam wurden auch auf ältere Rentnerinnen und Rentner zu übertragen. 

In den vergangenen Jahren wurde richtiger- und sinnvollerweise die Zurechnungszeit (also die Zeit, für die der Gesetzgeber annimmt, dass Betroffene ohne Eintritt der Krankheit weitergearbeitet hätten) bei den Erwerbsminderungsrenten sukzessive erhöht, allerdings haben von diesen Verbesserungen völlig unverständlicherweise immer nur Rentenneuzugänge profitiert, während der Bestand stets leer ausging.

Die Ausweitung der vorgenommenen Verbesserungen auf den Rentenbestand ist also allein schon aus Gründen der Gerechtigkeit und Gleichbehandlung gegeben, aber sozialpolitisch auch absolut notwendig, denn Erwerbsgeminderte sind überdurchschnittlich häufig von Altersarmut betroffen.

In diesem Punkt wird DIE LINKE den Koalitionären genau auf die Finger gucken, denn hier lauert eine Falle: Mit Erreichen der Regelaltersgrenze wird eine Erwerbsminderungsrente in eine Regelaltersrente umgewandelt, die Rentenhöhe ändert sich hierdurch (üblicherweise) nicht.

Für DIE LINKE ist daher klar: Auch Menschen, deren Erwerbsminderungsrente in eine Regelaltersgrenze umgewandelt wurde, müssen von den geplanten Verbesserungen profitieren!

Wir haben dazu die Bundesregierung gefragt, wie viele EM-Renten in den vergangenen Jahren in Altersrenten umgewandelt wurden. Das Ergebnis sehen: Im Durchschnitt fliegen 70.000 Renten aus der Erwerbsminderungsrentenstatistik in die Altersrentenstatistik und würden von einer möglichen Verbesserung nicht profitieren (siehe Grafik).

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schreibt dazu in einer aktuellen Studie: "Spätestens mit dem Erreichen der Altersgrenze werden Erwerbsminderungsrenten in Altersrenten umgewandelt. Danach wird diese Gruppe in den administrativen Daten nicht mehr differenziert. Aktuell beziehen rund 1,8 Millionen Personen offiziell eine Erwerbsminderungsrente. Wir schätzen, dass insgesamt rund 4,4 Millionen Personen ursprünglich mit einer Erwerbsminderungsrente in Rente gegangen sind. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die beobachtbaren Bezieher und Bezieherinnen von Erwerbsminderungsrente nur etwa 40 Prozent dieser Gruppe ausmachen."

https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.812445.de/diwkompakt_2021-164.pdf S. 3

Das Portal 'Ihre Vorsorge' hat die Anfrage aufgegriffen und fasst die Ergebnisse noch einmal zusammen:

https://www.ihre-vorsorge.de/nachrichten/lesen/erwerbsminderungsrente-deutlich-mehr-umwandlungen.html

Hintergrund:

Mit dem Rentenpaket 2014 wurde die Zurechnungszeit (ZRU) bei Rentenneuzugängen ab 1. Juli 2014 um zwei Jahre verlängert. Erwerbsgeminderte wurden dadurch so gestellt, als hätten sie mit ihrem bisherigen Einkommen bis zum 62. statt wie vorher (bis 1. Juni 2014) bis zum 60. Geburtstag  weitergearbeitet. Das heißt, es werden zusätzliche Zeiten berücksichtigt, für die keine Beiträge gezahlt wurden. Zudem wurde eine komplizierte Vergleichsbewertung eingeführt, bei der die letzten vier Jahre vor Eintritt in die EM unberücksichtigt bleiben, wenn die Bewertung der ZRZ dadurch günstiger ist. Die Zurechnungszeit steigert so die Rente.

Die nächste Reform gab es dann 2017: Die Zurechnungszeit wurde bei Rentenneuzugängen ab 1. Januar 2018 schrittweise um weitere drei Jahre verlängert. Ab einem Rentenbeginn im Jahr 2024 wurden Erwerbsgeminderte dann so gestellt, als ob sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen bis zum 65. Geburtstag weitergearbeitet hätten.

Schon im darauffolgenden Jahr 2018 wurde diese Regelung wieder verändert und die Anhebung des Endes der Zurechnungszeit auf 65 vorgezogen. Im Zugangsjahr 2019 gilt eine Zurechnungszeit von zunächst 65 Jahren und 8 Monaten, die jeweils bis 2027 (66 und 4 Monate) um je einen Monat steigt und bis 2031 (67 Jahre) um je zwei Monate.

Eine zusammenfassende Grafik hat Johannes Steffen erstellt:

http://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/portal/grafiken/zurechnungszeit_PS.png