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Matthias W. Birkwald

Grüne torpedieren Rentenangleichung

Ihr Vorschlag hat nichts mit Gerechtigkeit, aber viel mit Sozialabbau zu tun

03.05.2011

Von Matthias W. Birkwald

Wolfgang Strengmann-Kuhn, Rentenexperte der Grünen in Bundestag hat sich am Mittwoch in der Bild-Zeitung für die Abschaffung der Höherbewertung der Löhne Ostdeutscher bei der Rentenberechnung stark gemacht - aus Gerechtigkeitsgründen. Die Höherbewertung bewirkt, daß ein ostdeutscher Durchschnittsverdienst einem westdeutschen Durchschnittsverdienst gleichgestellt wird. Der grüne Vorschlag würde zu erheblichen Einbußen für künftige Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland führen und im Zusammenhang mit der
Langzeiterwerbslosigkeit und Niedriglöhnen der Altersarmut einen weiteren Schub geben. Die Grünen reden von Gerechtigkeit, aber sie fordern Sozialabbau.


Gerecht wäre es, die ostdeutschen Renten auf das Westniveau anzuheben. Es muß gelten: Gleiche Rente für gleiche Lebensleistung. Mit der Anhebung würde endlich ein zentrales einigungspolitisches Versprechen eingelöst. Doch seit 20 Jahren betreiben alle Bundesregierungen Sankt-Nimmerleins-Politik. Übrig geblieben ist nur die leere Floskel, daß die Angleichung kommen wird.


Entgeltpunkte mal aktueller Rentenwert – das ist die kürzeste Variante der Rentenformel. Wer den westdeutschen Durchschnittsverdienst erreicht, erhält einen Entgeltpunkt, wer darunter bleibt, erhält weniger. Letzteres trifft regelmäßig auf die Ostdeutschen zu. Mit der Hochwertung, aktuell um den Faktor 1,1429, wird quasi ein eigener ostdeutscher Durchschnitt gebildet, so daß ein ostdeutscher Durchschnittsverdienst genauso zu einem Entgeltpunkt führt wie ein Westdeutscher. Wenn zum 1. Juli die Renten um ein Prozent steigen, bleibt der aktuelle Rentenwert für Ostdeutsche mit 24,37 Euro weiterhin um elf Prozent geringer als der Rentenwert für Westdeutsche mit 27,47 Euro. Das hat bittere Folgen: Nach 45 Jahren durchschnittlichem Verdienst erhalten Ostdeutsche 140 Euro weniger Rente als Westdeutsche. Die Hochwertung sorgt dafür, daß diese Ungleichheit bei der Entgeltpunktberechnung nicht noch höher ausfällt.


Eine gerechte Angleichung aus Sicht der Partei Die Linke muß erstens eine deutliche Verbesserung für alle heutigen Rentnerinnen und Rentner bringen, denn die Alterseinkünfte sind im Osten 18 Prozent niedriger als im Westen. Bei den Ostdeutschen macht die gesetzliche Rente mehr als 90 Prozent ihres gesamten Alterseinkommens aus. Die überwiegende Mehrheit der Ostdeutschen hatte bisher keine Chance zu betrieblicher oder privater Vorsorge. Es braucht auch keine bessere private Vorsorge, sondern mehr gute und vor allem gut bezahlte Arbeit, die zusammen mit einer lebensstandardsichernden Rente mindestens vor Armut schützt.

Zweitens müssen die Arbeitsentgelte Ostdeutscher weiterhin hochgerechnet werden, um damit die ungleichen Durchschnittseinkommen in Ost und West auszugleichen. Dieser Nachteilsausgleich ist trotz sich angleichender Tariflöhne notwendig, weil knapp die Hälfte aller Beschäftigten in Ostdeutschland ohne Tarifvertrag arbeitet. Die Löhne und Gehälter im Osten liegen nach wie vor ein Viertel unter denen im Westen. Und Ostdeutsche müssen für einen annähernd gleichen Lohn oft länger arbeiten und auf im Westen übliche Sonderzahlungen verzichten. Daß die Tariflöhne sich angeglichen haben, ist also kein Argument dafür, die Hochwertung abzuschaffen.


Drittens muß die Angleichung bis 2016 abgeschlossen sein. Die Volkssolidarität, ver.di, die Partei Die Linke und andere schlagen dafür einen steuerfinanzierten, stufenweise steigenden Zuschlag vor.

Die Hochwertung muß viertens den pauschalen Nachteil ausgleichen und zwar so lange, wie es noch nötig ist. Mit einer vernünftigen Wirtschafts- und Lohnpolitik im Interesse der Beschäftigten muß dieser pauschale Nachteil eingedämmt und schließlich abgeschafft werden – so schnell wie möglich.

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