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Matthias W. Birkwald

Mein Ende gehört mir!

Kurzstatement zur Debatte und zur Abstimmung zum Thema Sterbehilfe am 06.11.15

06.11.2015

Ich werde heute gegen alle vier vorliegenden Gesetzentwürfe stimmen, also vier Mal mit „nein“. Analog zur Ersten Hilfe braucht es für Menschen mit freiem Willen auch die Möglichkeit, selbstbestimmt eine Letzte Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich nehme für mich in Anspruch zu sagen: Mein Ende gehört mir. Dieses Recht steht meiner Meinung nach allen Menschen zu. Alle heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfe schränken die Möglichkeit, selbstbestimmt zu sterben, jedoch ein. Das will ich nicht. Zudem hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages inzwischen auf die verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Entwürfe von Brand/Griese, Hintze/Lauterbach und auch auf den von mir ursprünglich mitgezeichneten Entwurf von Künast/Sitte hingewiesen. Das nehme ich ernst. Nach den Debatten des vergangenen Jahres und vor allem nach der öffentlichen Sachverständigenanhörung habe ich immer mehr Zweifel bekommen, ob die Androhung strafrechtlicher Sanktionen in diesem höchstpersönlichen Lebensbereich richtig wäre. 80 Prozent der Bevölkerung wünschen sich die Option einer Freitodbegleitung. Die wird es nicht mehr geben, wenn medizinisches Personal und Sterbehelferinnen und Sterbehelfer damit rechnen müssten wegen der geleisteten Suizidbeihilfe kriminalisiert zu werden.

Darum hätte ich für den von Katja Keul (Grüne), Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU), Brigitte Zypries (SPD) und mir vorgelegten Antrag „Keine neuen Straftatbestände bei Sterbehilfe“ (DS 18/6546) gestimmt, damit auch lebensmüde Menschen bei uns jemanden finden, die oder der ihnen zuhören darf, ohne dass die Staatsanwaltschaft aktiv werden muss. Neue Straftatbestände im Hinblick auf die Beihilfe zur Selbsttötung sind m. E. nicht erforderlich. Nach der deutschen Rechtslage ist die Tötung auf Verlangen, anders als z.B. in Belgien oder den Niederlanden, unter Strafe gestellt. Das zu ändern hat im Bundestag niemand beantragt und das halte ich auch für richtig. Menschen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, mit dem Gedanken tragen, ihr Leben selbst zu beenden, sollen aber uneingeschränkt Zugang zu ergebnisoffener Beratung und Unterstützung haben, damit sie in Würde sterben können und sich nicht genötigt sehen müssen, einen harten Weg zu wählen. So können sie möglicherweise auch wieder von ihrem Vorhaben Abstand nehmen, wie ich den Erfahrungen des Berliner Arztes Uwe-Christian Arnold entnehmen konnte. Insofern ist Sterbehilfe auch Lebenshilfe. Ob diese Menschen sich ihren Angehörigen oder dem Arzt oder der Ärztin ihres Vertrauens zuwenden oder aber einem unabhängigen Sterbehilfeverein, sollte ihre Entscheidung bleiben und nicht vom Gesetzgeber vorgeschrieben werden. Müssten die Ärzte oder Vereine im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit Sorgen haben, sich strafbar zu machen, wäre den Betroffenen dieser Weg versperrt. Das will ich nicht.