DIE LINKE im Bundestag
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Matthias W. Birkwald

Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz - Riesterei für Versicherte ein Riesen-Flop!

19.10.2012
Redebeitrag von Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.) am 19.10.2012 um 13:17 Uhr (199. Sitzung, TOP 36)

Rede von Matthias W. Birkwald (DIE LINKE)
zur ersten Beratung
des Gesetzentwurfes der Bundesregierung Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz (AltvVerbG)

am 19.10.2012 im Deutschen Bundestag

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mit dem Entwurf des Altersvorsorge-Verbesserungsgesetzessoll die Riester-Rente transparenter und vergleichbarer werden. Das hört sich für all jene, die sich schon mit dem Dickicht der privaten Altersvorsorge beschäftigen mussten, gut an. Wer im Dunkeln steht, kann eine Taschenlampe gut gebrauchen.

Auch wir Linken wollen, dass jene Menschen, die bereits Riester-Verträge abgeschlossen haben, nicht allein gelassen werden. Doch die Linke will keineswegs zusehen, wie immer mehr Menschen in das Gestrüpp der privaten Altersvorsorge geschickt werden; denn eine Taschenlampe ändert am Dickicht nichts. Die Linke will das Dickicht roden, statt es nur ein wenig auszuleuchten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist dringend nötig, das wäre verantwortungsvoll, und das wäre auch machbar.

Doch Union und FDP wollen die kapitalgedeckte Altersvorsorge stärken – so steht es im Gesetzentwurf – und dazu die Riester-Rente ein wenig aufhübschen. Die Bundesregierung will uns glaubhaft machen, dass mit ein wenig Nachhilfe die Riester-Rente sich so entwickeln könnte wie das hässliche Entlein, das nach und nach zu einem prächtigen Schwan heranwächst. Das wäre eine gewaltige Entwicklung; doch daran zu glauben, würde in einer ebenso gewaltigen Enttäuschung enden. Deswegen sollten wir darauf verzichten.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, in der Alterssicherung brauchen wir keine Märchen, sondern Wahrhaftigkeit. Wir brauchen keine diffuse Hoffnung, sondern Sicherheit. Wie schon Helmut Kohl sagte: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“

Wir brauchen keine milliardenschwere Riester-Förderung, sondern jeden Cent, damit die gesetzliche Rente wieder den Lebensstandard sichern und vor Altersarmut schützen kann. Das muss heute das Thema sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Darüber müssen wir reden. Dazu müssen wir die richtigen Entscheidungen treffen.

Union und FDP wollen mit dem Gesetzentwurf die Riester-Vorsorge von einer ganz schlechten Leistung zu einer nur noch ein bisschen schlechten Leistung ummodeln. Das reicht nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die unter SPD und Grünen beschlossene Rasur der gesetzlichen Rente war – das wissen wir heute alle – eine vollkommen falsche Entscheidung. Die Altersarmut steigt. Gestern stand es wieder in den Zeitungen. Mit der Riester-Rente sollte die politisch gerissene Rentenlücke geschlossen werden. Das – das ist heute klar – wird vorne und hinten nicht hinhauen. Das weiß auch die Bundesregierung. In ihrem eigenen Rentenversicherungsbericht aus dem Jahr 2011 weist sie eindeutig nach: Früher, als es noch keine Riester-Einkünfte gab, hat die gesetzliche Rente allein mehr eingebracht als morgen die gesetzliche Rente und die Riester-Vorsorge zusammengenommen. – Eine gesetzliche Rente, Frau Hinz, die noch im Jahr 2009 1 000 Euro wert gewesen wäre, wird selbst mit Riester im Jahr 2025 nur noch 987 Euro wert sein, und das trotz all der Milliarden, die der Staat dazugibt. Aber es kommt noch schlimmer. Diese Rechnung stimmt nämlich nur, wenn man durch eine rosarote Brille auf die Kapitalmärkte blickt, so wie der Kollege Schäffler eben; denn die Regierung rechnet im Rentenversicherungsbericht mit 4 Prozent Verzinsung. Das ist vollkommen unrealistisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Die ganze Riesterei ist sozialpolitisch – und das heißt: vor allem für die Versicherten – ein Riesenflop. Deshalb muss Schluss damit sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre zeigen sehr deutlich, dass die Altersvorsorge nicht dem Treiben der Finanzmärkte und der Versicherungswirtschaft ausgesetzt werden darf. Das Riester-Problem kann mit den Instrumenten des Verbraucherschutzes nicht gelöst werden. Mehr Transparenz bei Riester wird nicht zu mehr Vernunft auf den Finanzmärkten führen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.

Herr Schäffler, noch einmal an Ihre Adresse: Wer bisher kein Geld für eine Riester-Vorsorge hatte, wird nicht plötzlich welches haben, nur weil die Riester-Angebote leichter zu verstehen sind. Mehr Transparenz führt auch nicht dazu, dass die Menschen das notwendige biblische Alter erreichen, um eine vernünftige Rendite aus der Riester-Vorsorge zu erhalten. Ich erinnere noch einmal daran: Eine Frau, die vor zehn Jahren im Alter von 35 Jahren eine Riester-Rente abgeschlossen hat, muss knapp 80 Jahre alt werden, um ihre eingezahlten Beiträge wieder herauszubekommen. Will sie eine kleine Rendite von 2,5 Prozent erhalten, muss sie 90 Jahre, bei 5 Prozent Rendite muss sie 20 Jahre älter werden als Herr Heesters, also 128 Jahre leben. Das heißt doch: Nicht allein die Umsetzung der Riester-Rente ist falsch, sondern das ganze Konzept ist falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Letztendlich erweist sich die Teilprivatisierung der Altersvorsorge als ein gigantisches Förderungsprogramm für die Versicherungswirtschaft. Deswegen verstehe ich auch, warum die FDP sich so sehr dafür einsetzt. Seit 2002 brachte das Riester-Geschäft den Versicherern mehr als 36 Milliarden Euro ein. Angesichts der Finanzmarktkrise ist eine weitere staatliche Subvention von privater Vorsorge bei gleichzeitigem Abbau der gesetzlichen Rente unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Allein an die sechs größten Anbieter von Riester-Verträgen sind mehr als 4 Milliarden Euro an Zulagen und rund 14 Milliarden Euro an Beiträgen geflossen. Trotz dieser immensen Summen weiß die Bundesregierung nicht, wie hoch die Rentenansprüche der Versicherten sind. Sie weiß auch nicht, wie viel Kapital zur Deckung der Rentenansprüche zur Verfügung steht. Das haben wir abgefragt. Die Riester-Rente gaukelt Sicherheit vor, wo keine ist. Sie ist also nicht nur sozialpolitisch unsinnig, sie ist sogar gefährlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Union, FDP, aber auch SPD und Grüne nehmen das einfach so hin. Die Linke macht da nicht mit. Deswegen wollen wir das grundsätzlich ändern.

Die Linke fordert: Vorrang für die gesetzliche Rente! Die für die Riester-Rente ausgegebenen Steuersubventionen in Milliardenhöhe müssen endlich in die gesetzliche Rente umgeleitet werden. Das Drei-Säulen-Prinzip von gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge ist gescheitert. Das müssen Sie doch endlich einmal zur Kenntnis nehmen. Wenn die Rente basierend auf diesen drei Säulen hinterher niedriger ist als die frühere gesetzliche Rente, dann kann man sagen: Sechs, setzen!

(Beifall bei der LINKEN – Christian Lange [Backnang]

[SPD]: Früher war alles besser!)

Das sagt übrigens nicht nur die Linke. Was ich sage, hat jüngst – natürlich viel freundlicher und wissenschaftlicher formuliert – das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung mit der Studie „Auf dem Weg in die Altersarmut. Bilanz der Einführung der kapitalgedeckten Riester-Rente“ nochmals eindrucksvoll dargelegt.

Deswegen sage ich: Wir müssen jetzt die gesetzliche Rentenversicherung so wiederherstellen, dass sie den Lebensstandard sichert und vor Altersarmut schützt. Ohne ein ausreichendes Rentenniveau von 53 Prozent vor Steuern werden nämlich auch Menschen mit guten Löhnen keine guten Renten erhalten. Denn nur die gesetzliche Rente bietet wirkliche Sicherheit und echte Solidarität.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)