Statt Rente erst ab 67 - altersgerechte Übergänge erleichtern

04.12.2014

Rede von Matthias W. Birkwald zum LINKEN Antrag

Statt Rente erst ab 67 - altersgerechte Übergänge erleichtern (BT-Drs. [1]18/3312[2])

am Donnerstag, 04. Dezember 2014 im Plenum des Deutschen Bundestages

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Die Bundesregierung hat ihren Rentenversicherungsbericht und den Bericht zur Rente erst ab 67 vorgelegt, und die Reaktionen waren verheerend.

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Nur bei euch! - Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Das stimmt aber nicht!)

Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 15. November 2014: „Riestern funktioniert oft nicht“. ‑ Und Norbert Blüm hat vorgestern in der Saarbrücker Zeitung die Riester-Rente als den größten Irrweg in der jüngsten Geschichte der Renten­versicherung bezeichnet. Recht hat er.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber: Lassen wir es dabei. Für heute! Kommen wir zur Rente erst ab 67. Da haben Sie in Ihrem Rentenbericht wieder einmal schön die ollen Kamellen herausgeholt: Mehr Ältere würden länger arbeiten, also sei alles okay. Nichts ist okay. Aber Union und SPD halten sich die Augen zu und an der Rente erst ab 67 fest, und das ist schlecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Staatssekretärin, ich erinnere Sie wieder einmal höflich an den Be­schluss des SPD-Parteikonvents von 2012. Ich darf zitieren:

Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist erst dann mög­lich, wenn die ... 60 bis 64-jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mindestens zu 50 Prozent sozialversi­cherungspflichtig beschäftigt sind.

Im Dezember 2013 waren es aber gerade einmal 33 Prozent, und im Alter von 64, also kurz vor der Rente, haben nur 16 Prozent einen sozialversicherungs­pflichtigen Job, und nur mickrige 11 Prozent arbeiten in Vollzeit. Das ist die traurige Wahrheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie verstoßen nicht nur klar gegen Ihre eigenen Beschlüsse, sondern Sie verkaufen die Ent­wicklung auf dem Arbeitsmarkt auch noch als Erfolg pur.

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Ist ja auch ein Erfolg!)

Damit verkaufen Sie die älteren Beschäftigten für blöd. Die Beschäftigten sind aber nicht blöd, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die wissen nämlich ganz genau: Ein Drittel Ältere mit Job, das heißt umgekehrt, fast sieben von zehn Beschäftigten im Alter von 60 bis 64 sind nicht sozialversi­cherungspflichtig beschäftigt. Und warum? Na ja, weil eine Krankenschwester im Durchschnitt mit 60 aus ihrem Job gehen muss, weil ein Bauarbeiter im Durchschnitt 57,5 Jahre alt ist, wenn er nicht mehr arbeiten kann. Die beiden können aber auch nicht in die Rente ab 63 gehen, weil sie noch keine 63 sind und weil sie natürlich auch die 45 Jahre Wartezeit noch nicht geschafft haben. 18/1267

Die Älteren werden aber auch von den Arbeitgebern komplett alleinge­lassen. Ich bitte Sie: Schauen Sie doch einmal in Ihren eigenen Bericht. Da steht auf Seite 57: Nur 18 Prozent der Betriebe bieten überhaupt irgendeine Maßnahme für Ältere an, die meisten übrigens Altersteilzeit.

Aber Gesundheitsförderung für Ältere, altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung, Weiterbildung für Ältere - das alles gibt es nur in sehr, sehr wenigen Betrieben.

Wann fangen Sie endlich damit an, die Arbeitgeber und Arbeitgeberin­nen in die Pflicht zu nehmen? Die schreien doch am lautesten: „Fachkräfte­mangel“, „Arbeiten bis 70“, „Rente nicht mehr bezahlbar“. Warum hauen Sie nicht einmal auf den Tisch und sagen: „So, ab dem nächsten Jahr führen wir Quoten für Ältere ein! Ab dem nächsten Jahr wird Weiterbildung Pflicht! Ab dem nächsten Jahr werden altersgerechte Arbeitsplätze Standard!“?

Meine Damen und Herren von der Großen Koalition, was bieten Sie denn den Beschäftigten an?

(Alexander Ulrich (DIE LINKE): Länger arbeiten!)

Nichts! Ich zitiere die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Die Koalition macht die Rente mit 70 attraktiver“.

(Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Genau!)

So hat die FAZ über Ihre Koalitionsarbeitsgruppe berichtet,

(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)

und das ist nicht einmal gelogen. Genau darum geht es dort.

Sie diskutieren jetzt darüber, den Arbeitgebern Sozialversicherungsbei­träge zu erlassen, wenn die Beschäftigten weiter arbeiten, statt „nur“ in Rente zu gehen.

(Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Arbeiten bis zum Umfallen!)

Liebe Koalition, lassen Sie die Finger davon!

(Beifall bei der LINKEN)

Der Sozialbeirat, das oberste Beratungsgremium in allen Rentenfragen, sieht das in seinem aktuellen Gutachten genauso: Arbeiten nach der Regelar­beitsgrenze werde schon heute mit Zuschlägen belohnt. - Und Hinzuverdienst­grenzen gibt es für Rentnerinnen und Rentner ab 65 auch keine mehr. Wenn wir Rentnerarbeit noch attraktiver, also für die Arbeitgeber billiger machen ‑ das heißt das bei Ihnen ja immer; Kollege Linnemann guckt mich so freundlich an ‑, dann verdrängen wir die Jüngeren

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Da sind Sie nicht mehr auf dem aktuellen Stand!)

und werden erst recht keine Älteren mehr eingestellt. Deshalb sage ich Ihnen: Wir dürfen die Grenze zwischen Erwerbsarbeit und Ruhestand nicht weiter auf­lösen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Enkel wollen wissen, wann Opa mehr Zeit für sie hat und wann Oma nicht mehr putzen geht, sondern sie vielleicht in den Kindergarten bringt. Opa und Oma wollen endlich ihren kaputten Rücken auskurieren. Sie wollen sich um ihr Ehrenamt kümmern, und, ja, sie wollen vielleicht auch einmal eine Kreuz­fahrt machen.

(Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Also ich will das nicht! Ich bin auch Oma! ‑ Heiterkeit bei der SPD)

Deshalb haben wir unseren Antrag vorgelegt.

Wir Linken wollen nicht den arbeitenden Rentner oder die arbeitende Rentnerin zum neuen Leitbild machen, wie viele in der Union. Wir wollen gute Arbeit bis zur Rente, und zwar ohne Megastress

(Beifall bei der LINKEN ‑ Dr. Martin Rosemann (SPD): Bis zur Frührente!)

und das Ganze mit alters- und alternsgerechten Arbeitsplätzen. Wenn Arbeit­geber Ältere entlassen, dann sollen sie die Kosten dafür tragen.

Liebe Koalition, nehmen Sie die Rente erst ab 67 zurück;

(Beifall bei der LINKEN)

denn mit 65 hat man sich zum Beispiel als Fliesenleger oder als Altenpflegerin den Ruhestand hart verdient. Wer krank ist, dem darf auch die Erwerbsminde­rungsrente nicht mehr verwehrt werden.

Wir sagen aber auch: Nicht 45 Jahre arbeiten, sondern 40 Jahre sind genug. Nach 40 Jahren Arbeit soll man ab 60 in Rente gehen können.

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Frühverrentung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, fragen Sie in Ihren Wahlkreisen nach: 40 Jahre Arbeit sind genug. Spätestens ab 65 muss Schluss sein!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Dr. Martin Rosemann (SPD): Geht es noch früher?)

‑ Nein.

Links:

  1. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/033/1803312.pdf
  2. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/033/1803312.pdf

Schlagwörter