Kurzzeitig Beschäftigten den vollständigen Zugang zur Arbeitslosenversicherung ermöglichen

16.10.2014

1. Lesung des Antrags der Fraktion DIE LINKE. Kurzzeitig Beschäftigten den vollständigen Zugang zur Arbeitslosenversicherung ermöglichen, Drucksache 18/2786 am Donnerstag, dem 16.10.2014 im Plenum

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

In Deutschland arbeiten 43 Prozent aller abhängig Beschäftigten in Minijobs, in Teilzeit oder als Leiharbeiter. Fast die Hälfte aller neuen Arbeitsverträge ist befristet. Diese Men­schen brauchen gute Arbeit, unbefristet, gut bezahlt und zu guten Arbeitsbedingungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Darum will die Linke das Problem an der Wurzel packen und prekäre Jobs wie Leihar­beit und Befristungen eindämmen.

(Beifall bei der LINKEN – Tankred

Schipanski [CDU/CSU]: Alles schon geschehen!)

Heute geht es aber um Folgendes: Hundertausenden in prekärer Beschäftigung fehlt der Zugang zum Arbeitslosengeld I. Die Beschäftigungsverhältnisse von 700 000 Leiharbei­ter­innen, Lagerarbeitern, Kellnern, Filmtechnikern, Schauspielerinnen, IT-Fachleuten und vielen anderen dauern weniger als zehn Wochen. Das sind nur gut zwei Monate.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte stellen Sie sich das einmal vor: Zehn Wochen ar­beiten, und dann stehen Sie wieder ohne Perspektive auf der Straße. Überlegen Sie ein­mal: Wenn Sie so leben müssten, was hieße das für Ihre Familienplanung? Wenn Sie so leben müssten, was hieße das für Ihre Urlaubsplanung? Wenn Sie so leben müssten, was hieße das für Ihren Wunsch, einen Kredit für den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses aufzunehmen? Das dürfte auch die Kollegen aus der Union interessieren. Ja, richtig, die Antwort lautet dreimal: sehr schwierig bis unmöglich. Ich sage: Das ist ein völ­lig unhalt­barer Zustand.

(Beifall bei der LINKEN)

Das muss ganz dringend geändert werden. 700 000 kurzzeitig beschäftigte Menschen leben in dieser ständigen Unsicherheit, und sie werden dann auch noch doppelt und dreifach diskriminiert. Die meisten Kurzzeitbeschäftigten erhalten nämlich gar kein Ar­beits­losengeld I. Dabei haben sie sehr wohl Beiträge zur Arbeitslosenversicherung be­zahlt. Nein, viele fallen, wenn sie arbeitslos werden, direkt in Hartz IV. Das ist unge­recht, und das darf nicht so bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD, Sie haben in Ihrem schwarz-roten Koalitionsvertrag versprochen, dieses Problem dauerhaft zu lösen, und zwar be­son­ders für Kulturschaffende und Kreative. Dazu wollen Sie die bis Dezember 2014 be­fristete Sonderregelung für Kurzzeitjobs neu gestalten. Nach dieser Sonderregelung muss man innerhalb von zwei Jahren sechs Monate gearbeitet haben, um einen An­spruch auf Arbeitslosengeld I zu bekommen. Diese Regelung hat aber nur ganz weni­gen geholfen. Im vergangenen Jahr haben gerade einmal 222 Betroffene von dieser fast wirkungslosen Sonderregelung profitiert. Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das reicht vorne und hinten nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung hat nun gestern beschlossen, diese befristete Sonderregelung ein­fach zu verlängern, damit die Kurzzeitbeschäftigten ab 1. Januar nicht völlig im Re­gen stehen.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Gute Maßnahme!)

Heute wird unser Antrag debattiert, Herr Schipanski. Da wollten Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, natürlich nicht mit völlig leeren Händen dastehen. Das kann ich gut verstehen. Man sieht also: Links wirkt.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten

der CDU/CSU)

Glaubwürdig sind Sie nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD; denn Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die Rahmenfrist, in der man Anwart­schaf­ten für das Arbeitslosengeld erwerben kann, von zwei auf drei Jahre auszuweiten. Machen Sie es einfach! Setzen Sie Ihr Versprechen um, und setzen Sie unseren weiter­gehen­den Antrag um. Die Kurzzeitbeschäftigten dürfen jedenfalls nicht länger durch den Rost fallen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern: Verlängern Sie die Rahmenfrist von zwei auf drei Jahre. Streichen Sie die Verdienstgrenze, an der viele scheitern. Sorgen Sie dafür, dass alle Beschäftigten nach einem halben Jahr Arbeit Anspruch auf drei Monate Arbeitslosengeld I haben, nach acht Monaten Arbeit Anspruch auf vier Monate Arbeitslosengeld I, und nach zehn Monaten Arbeit sollten die Menschen Anspruch auf fünf Monate Arbeitslosengeld I erhalten. Das würde vielen Künstlerinnen, Kellnern, Hilfsarbeitern und Sekretärinnen helfen, und es käme sehr vielen Migrantinnen und Migranten zugute.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Herr Kollege Birkwald.

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Liebe Koalitionärinnen und Koalitionäre, handeln Sie endlich, und zwar vor Weihnach­ten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

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