Jungdemokrat_innen-Oldies zu Besuch in Berlin

Ein Bericht aus der taz

15.05.2013
PASCAL BEUCKER, ANJA KRÜGER
Besuchergruppe der Jungdemokrat_innen-Oldies im Gespräch mit Matthias W. Birkwald im Fraktionssaal der LINKEN im Deutschen Bundestag

taz, 22. Mai 2013

Auf Buttertour mit dem Herrn Abgeordneten WÄHLERPFLEGE Reichstag, Stadtrundfahrt: Dreimal im Jahr kann ein Bundestagsabgeordneter Besucher für eine Stippvisite nach Berlin laden. Was machen diese Polittouris da eigentlich? Ein Selbstversuch

BERLIN taz | Auf dem Parkplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof warten zahlreiche Reisebusse. Die Besuchergruppe, die gerade mit dem ICE 859 aus dem Westen der Republik angekommen ist, muss aufpassen, nicht den falschen zu erwischen. Zettel in den Windschutzscheiben weisen den Weg. Auf ihnen prangen Namen von Bundestagsabgeordneten. Die knapp 40 Frauen und Männer aus dem Zug steigen bei "Birkwald" ein.

Woche für Woche spielt sich das gleiche Schauspiel ab: Als wären nicht ohnehin schon genug Touristen in der Stadt, schlängeln sich auch noch Dutzende von Abgeordnetenbesuchergruppen durch die unzähligen Baustellen Berlins. Doch was machen diese Polittouris da eigentlich? Ein viertägiger Selbstversuch gibt Auskunft.

Die kleine Gruppe aus dem Rheinland ist auf Einladung des Linkspartei-Abgeordneten Matthias W. Birkwald nach Berlin gekommen. Sie wird im Bus von Sabine Wiehmert begrüßt. "Die Programmpunkte sind Pflichttermine", sagt die Mitarbeiterin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung streng.

Dreimal im Jahr kann ein Abgeordneter bis zu 50 Besucher zur Stippvisite in die Bundeshauptstadt einladen. Kost und Logis übernimmt das Bundespresseamt. 23,6 Millionen Euro stehen dafür im Haushalt zur Verfügung. Besonders in Vorwahlzeiten nutzen Parlamentarier gerne die Trips für "politisch Interessierte" als Instrument der Wahlkreispflege. "In dieser Woche sind rund 60 Besuchergruppen im Rahmen der Informationsfahrten in Berlin", gibt das Bundespresseamt Auskunft.

Zum Standardrepertoire gehört eine Stadtrundfahrt, "an politischen Punkten orientiert", und ein Besuch des Reichstags. Dort trifft die Reisegruppe auch "ihren" Abgeordneten: Im Fraktionsraum der Linkspartei referiert Birkwald über Rentenpolitik. Das ist sein Lieblingsthema. Presseamtsmitarbeiterin Wiehmert drängelt: Es wartet schon die Führung durch das Berliner Abgeordnetenhaus.

Offizieller Zweck der Informationsfahrten ist es, Bürgern die Funktions- und Arbeitsweise von Parlament, Bundesrat und Bundesregierung näherzubringen. "Die einzelnen Programmpunkte, die wir dem Bundespresseamt vorschlagen, orientieren sich an der jeweiligen Gruppe, die wir einladen", erläutert Gisela Stahlhofen, die Wahlkreismitarbeiterin Birkwalds. Mal werden verdiente Parteiaktivisten bedacht, mal sozial benachteiligte Jugendliche, mal Hartz-IV-Empfänger, die sich sonst keine Reisen leisten können.

Diesmal ist der Kreis eher ungewöhnlich: Es handelt sich in der Mehrzahl um frühere Jungdemokraten. Wie die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth oder der SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Strässer war auch der Linksparteiler Birkwald in seinen jungen Jahren Mitglied der radikaldemokratischen Jugendorganisation. Das Altersspektrum der Teilnehmer reicht von Mitte 30 bis Mitte 70. Mitglied der Linkspartei sind nur wenige, bürgerrechtlich orientiert jedoch alle.

Am letzten Tag stehen mehrere Führungen "auf den Spuren jüdischen Lebens rund um den Hackeschen Markt" auf dem Programm.

Am Donnerstagabend geht es zurück ins Rheinland. Als Wegration gibt es ein Lunchpaket vom Restaurant Butterstulle. Ohnehin bestand all die Tage nie die Gefahr, zu verhungern. Frühstück im Hotel, dann mittags und abends Essen in wechselnden Restaurants: Die Bundestagsreisen sind offenkundig auch ein Beitrag zur Förderung der Berliner Gastronomie.

PASCAL BEUCKER, ANJA KRÜGER

Originalartikel "Auf Buttertour mit dem Herrn Abgeordneten: www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/[1]

Links:

  1. http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2013/05/22/a0062&cHash=822718ef13935b78d0d2585040bb7a08