Entgeltgleichheit ist nicht zum Nulltarif zu haben!

22.02.2013

Dies zeigte die gemeinsame Öffentliche Anhörung des Familienausschusses und des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Bundestages am Montag, den 18.02.2013. Die Sachverständigenanhörung rückte erneut die bundesdeutsche Lohn- und Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen in den Fokus der Aufmerksamkeit. Sie beträgt immer noch sage und schreibe 22 Prozent! Im Rahmen der Anhörung diskutierten Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen mit zwölf externen Sachverständigen deshalb die Notwendigkeit eines „Entgeltgleichheitsgesetzes“ auf Bundesebene. Für DIE LINKE. im Bundestag waren Jutta Krellmann (Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung, Yvonne Ploetz (Frauenpolitische Sprecherin) und Matthias W. Birkwald (Rentenpolitischer Sprecher) unter den fragenden MdBs.

Grundlagen der Anhörung waren die Bestrebungen der Oppositionsfraktionen, ein Entgeltgleichheitsgesetz zu etablieren, welches „gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit“ sichert. Mit einem „Gender Pay Gap“ von 22 Prozent schneidet Deutschland im europäischen OECD-Vergleich noch immer als Europameister im Diskriminieren ab. Und dies, obwohl Entgeltdiskriminierung nach Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes, nach Artikel 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sowie nach Artikel 157 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verboten ist! Aus der katastrophalen Entgeltlücke entwickelt sich zudem im Lebenslauf eine immense Rentenlücke (Gender Pension Gap) von 59% zu Lasten der Frauen – Frauenarmut ist und bleibt das Ergebnis.

Ein Entgeltgleichheitsgesetz könnte die Betriebe sofort verpflichten, ihre Entgeltstrukturen offenzulegen und auf diskriminierende Strukturen hin zu überprüfen. Dabei würden Lohnmessverfahren angewendet, die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Vorfeld zertifiziert würden. Daraus resultierende Transparenz schaffende Entgeltberichte sollten in anonymisierter Form betriebsöffentlich gemacht werden. Kämen die Unternehmen dieser Verpflichtung nicht nach oder verzögerten sie Maßnahmen zur Transparenz, müssten sie Bußgelder bis zu 500 000 Euro zahlen. Das Entgeltgleichheitsgesetz soll für Betriebe der Privatwirtschaft und für Dienststellen der öffentlichen Verwaltung gleichermaßen gelten.

Einen entsprechenden Gesetzentwurf[1] legte die SPD vor. Die Sachverständigen wurden zudem zu einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen[2] gehört. Auch die Grünen sprechen sich für Überprüfungsmechanismen zur Beseitigung von Entgeltunterschieden aus. Allerdings: DIE LINKE. geht in ihren Forderungen noch einen Schritt weiter. Für uns LINKE ist ein Entgeltgleichheitsgesetz ohne flankierende Maßnahmen nicht denkbar. Neben einem transparenten Entgeltberichtsystem und der Einführung eines Verbandsklagerechtes, fordern wir einen gesetzlich verbindlichen, flächendeckenden Mindestlohn und die Bekämpfung der Niedriglohnfalle für Frauen. Zudem trat und tritt DIE LINKE. für eine geschlechtergerechte Überarbeitung der Eingruppierungskriterien in Tarifverträgen und die Einführung eines Gleichstellungsgesetzes für die Privatwirtschaft ein.

Weitgehende Einigkeit herrschte zwischen den Sachverständigen bei der Bundestagsanhörung über die Fakten, die Martin Beck vom Statistischen Bundesamt präsentierte. Die Verdienstlücke von Frauen, der sogenannte „Gender Pay Gap“, habe sich seit 1995 im Wesentlichen nicht verändert und liege deutlich über dem Durchschnitt von 16,2 Prozent in der Europäischen Union. Die Gründe für die Verdienstunterschiede seien vielfältig. Zum einen werden Frauenberufe häufig schlechter bezahlt und die gläserne Decke lässt Frauen nicht in Führungspositionen aufsteigen. Zum anderen sind Frauen häufiger teilzeitbeschäftigt oder im Niedriglohnsektor tätig und vor allem häufiger von Karriereunterbrechungen – beispielsweise durch Schwangerschaft und Elternzeit – betroffen als die Männer.

Anja Weusthoff vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), die feministische Rechtswissenschaftlerin Professor Heide Pfarr, die Wissenschaftlerin Karin Tondorf und Gisela Ludewig vom Deutschen Juristinnenbund unterstützten als Sachverständige die Gesetzesinitiativen der Opposition. Sie argumentierten, dass trotz aller Zusagen der Wirtschaft die Entgeltunterschiede seit Jahrzehnten unverändert hoch seien. Es sei deshalb an der Zeit, endlich gesetzliche Schritte einzuleiten.

Auf Nachfrage der Genossin Jutta Krellmann erklärte Frau Dr. Pfarr, ein Entgeltgleichheitsgesetz sei kein Eingriff in die Tarifautonomie, da die Tarifparteien zuallererst an Artikel 3 des Grundgesetzes gebunden seien und im Kampf gegen Entgeltdiskriminierung lediglich geltendes Recht umsetzen. Anja Weusthoff bestärkte die Forderungen der LINKEN, indem sie auf die Frage des rentenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Matthias W. Birkwald, nach Auswegen aus der Entgeltungleichheit die sofortige Einführung eines Mindestlohns und die Reduktion von Minijobs vorschlug. Sie betonte, dass ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro die Lohnuntergrenze wäre, „die das Bitterste vermeiden soll“, wie sie formulierte.

Da ist DIE LINKE. mit ihren Forderungen schon weiter. Unter der Grenze von 10 Euro flächendeckendem Mindestlohn wird hier in der Arbeits- und Sozialpolitik nicht diskutiert. Und Heide Pfarr bestätigt eine zentrale linke Erkenntnis: Die gesetzgeberische Privilegierung des Niedriglohnsektors ist die Hauptfalle für Frauen. Eine Gleichstellung von Minijobs mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung steht daher dringend an, denn 65 Prozent aller Niedriglohnbeschäftigten sind derzeit Frauen. DIE LINKE. setzt sich zusätzlich für ein Verbandsklagrecht ein, so dass diskriminierte Frauen im Schutz einer Gruppe und nicht mehr allein vor den Richter oder die Richterin treten müssen. Ein Verbandsklagerecht sei laut der Sachverständigen Gisela Ludewig für Entgeltgleichheit unumgänglich.

Nach den Sanktionierungsmöglichkeiten gefragt, gab die Juristin Ludewig desweiteren zu bedenken, dass ein Entgeltgleichheitsgesetz auch weh tun müsse. Sanktionen müssten „spürbar“ und „abschreckend“ sein. „Wenn wir uns die Straßenverkehrsordnung anschauen und uns vorstellen würden, es gebe keine Bußgeldregelungen, dann würde auch jeder sagen, das ist aber merkwürdig“, so Ludewig.

Auf die abschließenden Fragen der frauenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Yvonne Ploetz, erläuterte die Sachverständige Dr. Mari Teigen vom Institut für Sozialforschung der Universität Oslo, dass die öffentlichen Gehaltslisten in Norwegen nicht nur zu mehr Transparenz, sondern auch zu einem Mentalitätswandel hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Gesellschaft geführt haben. Dieses Transparenz schaffende Mittel könnte genauso gut auch in Deutschland funktionieren.

Der bundesweite Equal Pay Day findet in diesem Jahr am 21. März statt. Um weiterhin auf den katastrophalen Gender Pay Gap von 22 Prozent aufmerksam zu machen, und deutlich gegen ihn zu demonstrieren gilt auch in 2013: Hingehen und sich beteiligen! Frauen und Männer! Genossi_nnen, Nachbar_innen, Freund_innen, Kolleg_innen, Verwandte. Nehmt alle mit!

DIE LINKE. ist in jedem Fall mit dabei. In NRW, in Berlin und andernorts.

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Erschienen im LINKSLETTER der LINKEN NRW:

www.dielinke-nrw.de/nc/politik/linksletter/linksletter_nrw_artikel/detail_ll/zurueck/linksletter-aktuell-2/artikel/entgeltgleichheit-ist-nicht-zum-nulltarif-zu-haben/[3]

Links:

  1. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/097/1709781.pdf
  2. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/088/1708897.pdf
  3. http://www.dielinke-nrw.de/nc/politik/linksletter/linksletter_nrw_artikel/detail_ll/zurueck/linksletter-aktuell-2/artikel/entgeltgleichheit-ist-nicht-zum-nulltarif-zu-haben/

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