Solidarische Rentenversicherung – Für ein gutes Leben im Alter

DIE LINKE Essen diskutiert

14.02.2012
von Wolfgang Lindweiler
Zu Gast beim KV DIE LINKE. Essen, Diskussion zur Solidarischen Rentenversicherung am 13. Februar 2012

Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der LINKEN im Bundestag aus Köln, stellte am 13. Februar in Essen vor, wie die LINKE im Bundestag durch eine solidarische Rentenversicherung mit einer intergierten solidarischen Mindestrente Altersarmut verhindern will.

Zu Gast beim KV DIE LINKE. Essen, Diskussion zur Solidarischen Rentenversicherung am 13. Februar 2012

Einig waren sich die Essener LINKEN, dass eine solche solidarische Mindestrente nötig ist. Nur so kann der von der Bundesregierung mit ihren Vorschlägen für eine „Kombi- Rente“ eingeschlagene Weg in eine Gesellschaft, in der Altersarmut immer mehr Menschen zum, Malochen bis zum Tode‘ in schlecht bezahlten Minijobs zwingt, versperrt werden. Kontrovers diskutiert wurde hingegen die dafür erforderliche Höhe der solidarischen Mindestrente.

Zu Gast beim KV DIE LINKE. Essen, Diskussion zur Solidarischen Rentenversicherung am 13. Februar 2012

Altersarmut- Ausgangslage und Ursachen

Zu Gast beim KV DIE LINKE. Essen, Diskussion zur Solidarischen Rentenversicherung am 13. Februar 2012

Zunächst schilderte Birkwald eindringlich die aktuelle Situation: Immer mehr Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen können im Alter nicht mehr von ihrer Rente leben.

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Schon heute erhält ein Drittel aller Rentnerinnen und Rentner weniger als 600 Euro im Monat, schon heute sind mit 412.000 Betroffenen 60 % mehr Rentnerinnen und Rentner auf die am Elendsniveau von Hartz IV ausgerichtete ‚Grundsicherung‘ in Höhe von 678 Euro angewiesen. Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen.

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Gleichzeitig, so hatte Birkwald im Spätsommer letzten Jahres mit einer Anfrage im Bundestag enthüllt, wuchs seit 2000 die Anzahl der Rentnerinnen und Rentner, die ihre Rente mit einem Minijob aufbessern, um 60 % auf 770.000; mehr als 108.000 von ihnen sind sogar 75 Jahre oder älter.

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So haben viele Menschen Angst vor Altersarmut. Zu Recht, denn ihnen wird durch Niedriglöhne, prekäre Beschäftigung und Hartz IV jede Chance genommen, eine auskömmliche Rente zu erarbeiten. Und mit der „Rente erst ab 67“ ist ein weiteres Absinken der Renten zusätzlich zur strukturellen Benachteiligung von Frauen in das System eingebaut: Noch 2000 bekamen langjährig Versicherte‘ beim Renteneintritt noch eine Durchschnittsrente von 1.021 Euro, 2010 nur noch 919 Euro. Und die sogenannten Dämpfungsfaktoren in der Rentenformel garantieren Jahr für Jahr ein weiteres Absinken.

Zu Gast beim KV DIE LINKE. Essen, Diskussion zur Solidarischen Rentenversicherung am 13. Februar 2012

Doppelter Dreiklang linker Rentenpolitik

Zu Gast beim KV DIE LINKE. Essen, Diskussion zur Solidarischen Rentenversicherung am 13. Februar 2012

Um die im Parteiprogamm Der LINKEN formulierten Ziele einer gesetzlichen Rente deutlich über der Armutsgrenze und einer solidarischen Mindestrente als Schutz vor Altersarmut in praktische Politik umzusetzen, muss sich Linke Rentenpolitik, so Birkwald, strategisch an einem doppelten Dreiklang orientieren:

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Der erste Dreiklang „Gute Arbeit, gute Löhne gute Rente“.

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Arbeits- und Rentenpolitik müssen so verbunden werden, dass sich Beschäftige auch ohne private Zusatzversicherung wieder gesetzliche Renten erarbeiten können, die den Lebensstandard sichern und deutlich über der Armutsgrenze liegen. Dieses Ziel der gesetzlichen Rentenversicherung hat schon Rot- Grün mit der Einführung der Riester–Rente aufgegeben, die große Koalition hat mit der Einführung der ‚Rente erst ab 67‘ dieses Zerstörungswerk fortgesetzt.

Zu Gast beim KV DIE LINKE. Essen, Diskussion zur Solidarischen Rentenversicherung am 13. Februar 2012

Dazu müssen erstens Leiharbeit, Niedriglöhne und prekäre Beschäftigung überwunden werden, zweitensmuss die Entwertung von Rentenansprüche durch ‚Rente erst ab 67’und Dämpfungsfaktoren abgeschafft werden. Eine gute Rente muss von allen Erwerbstätigen getragen werden, auch Selbständige, Politiker und Beamte müssen Beiträge zahlen. Eine gute Rente organisiert den sozialen Ausgleich, deshalb müssen auch für Hartz IV-Empfänger wieder Rentenbeiträge gezahlt und die vorwiegend von Frauen geleistete Erziehungs- und Pflegearbeit stärker für die Rente angerechnet werden.

Der zweite Dreiklang heißt: Mindestsicherung, Mindestlohn und Mindestrente.

Der erste Dreiklang folgt weitgehend dem sogenannten „Äquivalenzprinzip“: Der tief im Alltagsbewusstsein verwurzelten Logik, dass die Rente den eingezahlten Beiträgen und somit einer überwiegend an der Teilnahme am Erwerbsleben bemessenen Lebensleistung entsprechen soll.

Weil das Grundgesetz, so Birkwald in der Diskussion, die Würde des Menschen und nicht die Würde des Beschäftigten schützt, muss sich dieser zweite Dreiklang am Prinzip der Solidarität orientieren: Allen Menschen haben unabhängig von ihrem Erfolg im Erwerbsleben das Recht auf ein Leben in Würde ohne Altersarmut.

Deshalb will die LINKE eine aus Steuermitteln finanzierte solidarische Mindestrente, die nach Beschluss des Parteivorstandes aktuell bei 900 Euro liegen soll.

Als Schutz vor Altersarmut soll jede und jeder über 65 diese solidarischen Mindestrente von der Rentenversicherung erhalten, der/die eigene Rentenansprüche nur unterhalb der 900 Euro-Grenze hat; diese Ansprüche werden allerdings angerechnet. Unabhängig davon, ob und wie lange Rentenbeiträge gezahlt wurden, ob eine private Rentenversicherung abgeschlossen wurde. Einzige Bedingung ist eine bei einem Schonvermögen von 70.000 Euro zuzüglich selbstgenutzten Wohneigentums bis zu einer Größe von 130 qm moderate Bedürftigkeitsprüfung

Zwei Dreiklänge, (K)ein Misston ?

Heiß diskutierte die Essener Linke, ob eine solidarische Mindestrente in der von Parteivorstand und Bundestagsfraktion vorgeschlagenen Höhe von 900 Euro wirklich ausreicht, um Altersarmut zu überwinden. „Wir müssen das Notwendige fordern statt uns nur am Möglichen zu orientieren,“ argumentierten die Kritiker_innen für ihre mit Berechnungen Berliner Armutsforscher zum Existenzminimum begründete Forderung nach einer solidarischen Mindestrente von mindestens 1050 Euro. Insbesondere bei hohen Mieten führe die vom Parteivorstand beschlossene Forderung nach nur 900 Euro nicht aus der Altersarmut, zudem sei sie mit den Ergebnissen der Armutsforschung nicht zu begründende willkürliche Zahl. Dass in der Armutsforschung je nach Berechnungsmethode aktuell Armutsgrenzen zwischen 750 und 1100 Euro gängig seien und Belastungen durch hohe Mieten zusätzlich durch Wohngeldansprüche ausgeglichen werden könnten, lauteten Gegenargumente.

Im Kern der Debatte steht die Frage, ob der LINKEN die Verbindung zwischen den beiden Dreiklängen gelungen ist: Die Schnittstelle zwischen dem leistungsbezogenen Prinzip der Lebensstandardsicherung und dem solidarischen Prinzip der Mindestrente muss so gebaut sein, dass Langzeiterwerbslose wie Beschäftigte mit niedrigen Einkommen sie als gerecht empfinden. Sonst können sie mit Sozialneiddebatten gegeneinander ausgespielt werden, statt sich gemeinsam gegen Altersarmut zu wehren.

Ob, wie von den Kritikerinnen befürchtet, die Forderung von 900 Euro für die solidarische Mindestrente die Glaubwürdigkeit der LINKEN gefährdet, weil sie von vielen als zu niedrig angesehen wird, oder es eher schwierig wird, Menschen mit hart erarbeiteten kleinen Renten davon zu überzeugen, dass es mit weniger als 900 € nicht geht, wird die Essener LINKE in Erfahrung bringen- beim gemeinsamen Werben für eine Rentenpolitik, die Altersarmut verhindert.