Mehr zur Rente hinzuverdienen - ein süßes Gift!

Protokollrede am 20. 10. 2022 zur Ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (8. SGB IV-Änderungsgesetz – 8. SGB IV-ÄndG)

21.10.2022
Quelle: Institut Arbeit und Qualifikation

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

ich begrüße zunächst, dass Sie die Hinzuverdienstmöglichkeiten für kranke Erwerbsminderungsrentner erhöhen und den Menschen damit ermöglichen werden, schrittweise wieder in den Beruf zurückzukehren.

Am Problem der viel zu niedrigen Erwerbsminderungsrenten ändert das allerdings gar nichts.

Diese Menschen brauchen außerdem dringend einen Anspruch auf Arbeitslosengeld und vor Allem auf Krankengeld.

Das haben Sie komplett vergessen.

Mehr Hinzuzuverdienen ist auch für alle gesunden Frührentnerinnen und –rentner eine gute Sache.

Aktuell sind schadlos 46.060 Euro im Jahr erlaubt, was 3838 Euro im Monat entspricht.

Diese Grenze wollen Sie jetzt komplett streichen.

Zukünftig kann man also zur vorgezogenen Altersrente noch 4.000, 5.000 oder 6.000 Euro brutto im Monat dazuverdienen.

Haben Sie das zu Ende gedacht?

Ja, das ist perfekt für gut ausgebildete, fitte Ältere.

Das wird funktionieren, wenn es Arbeitgeber gibt, die diese Arbeitsplätze anbieten.

Aber: War die bisherige Grenze von 46.060 Euro nicht ausreichend?

Rente plus Lohn?

Ist das bei vier oder fünftausend Euro gerecht?

Ändert das irgendetwas am Problem zu niedriger Renten?

Und sollten wir uns nicht erst einmal um die 7,7 Millionen Rentnerinnen und Rentner kümmern, die von weniger als 1.250 Euro persönlichem Nettogesamteinkommen im Monat leben müssen – also unter der europäischen Armutsgrenze liegen?

Professor Gerhard Bäcker und Dr. Jutta Schmitz-Kießler vom Institut Arbeit und Qualifikation in Duisburg sprechen von einem „süßen Gift“.

Zu Recht!

Warum?

Weil zu befürchten ist, dass zu Viele, die nur 35 Beitragsjahren geschafft haben, dann „sicherheitshalber“ die vorgezogene Altersrente mit hohen lebenslangen Abschlägen beantragen und der Lücke hinterherverdienen wollen werden.

Aber was, wenn Sie dann nach eine paar Jahren krank werden oder die Chefs nicht mehr mitspielen?

Dann kommt das große Erwachen.

Und ich will am Ende noch die große Gefahr zitieren, die das IAQ sieht:

„Und zu erwarten ist, dass das fortlaufende Erwerbseinkommen als Argument für eine Absenkung des Rentenniveaus und die Heraufsetzung der Regelaltersgrenze dient. Die Rente verliert damit ihre Lohnersatzfunktion und tendiert zu einer Kombirente!“[1]

Dazu darf es nicht kommen!

Erhöhen Sie das Rentenniveau. Stabilisieren reicht nicht!

 

[1] https://www.sozialpolitik-aktuell.de/files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Alter-Rente/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVIII6a_Thema_Monat_10_2022.pdf[1] S. 2

 

Mehr zu diesem Gesetz finden Sie hier: 

Deutscher Bundestag - Entwurf zur Änderung von Verfahren in der Sozialversicherung überwiesen[2]

 

 

Links:

  1. https://www.sozialpolitik-aktuell.de/files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Alter-Rente/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVIII6a_Thema_Monat_10_2022.pdf
  2. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw42-de-sgb-aenderungsgesetz-915596

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