DIE LINKE im Bundestag
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Matthias W. Birkwald

Zunehmende Steuerbelastung von Rentnerinnen und Rentnern muss politisch auf den Prüfstand!

Aktuelle Zahlen und ein Kommentar zur Rentenbesteuerung vom 19. 11. 2020.

23.11.2020
Quelle: Bundesministerium für Finanzen

Matthias W. Birkwald: „Trotz der zum Juli 2021 drohenden Rentennullrunde im Westen und der Minianpassung von 0,72 Prozent im Osten werden nächstes Jahr 2.000 Rentnerinnen und Rentner erstmals Einkommenssteuer zahlen müssen.

Dann werden insgesamt 5,37 Millionen Rentnerinnen und Rentner 43 Milliarden Euro des Einkommensteueraufkommens tragen. Seit 2011 wird dann die Zahl der steuerpflichtigen Rentnerinnen und Rentner damit um 1,5 Millionen gestiegen sein  (vgl. BMF, Datensammlung zur Steuerpolitik 2019, 2020, S. 41).

Die zunehmende Steuerbelastung von Renten muss jetzt endlich politisch ernst genommen werden. Das wegweisende Urteil des Bundesfinanzhofs zur Rentenbesteuerung steht unmittelbar bevor. Die Zeit des Wegduckens durch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) muss jetzt vorbei sein! Wir brauchen wieder eine Darstellung des Rentenniveaus nach Steuern, wenn wir wissen wollen, ob und inwieweit die gesetzliche Rente künftig noch den Lebensstandard wird sichern können.

Wir LINKEN im Bundestag sagen außerdem:

 

Niedrige Renten müssen steuerfrei bleiben! Deshalb fordern wir

1. die sofortige Anhebung des steuerfreien Existenzminimums von 9.408 auf 14.400 Euro jährlich,

2. wollen wir die Doppelbesteuerung der Renten so weit wie möglich eindämmen und darum die Stufen bis zur vollständigen nachgelagerten Rentenbesteuerung nicht nur bis 2040 sondern bis 2070 verlängern.

Und 3. fordert DIE LINKE eine außerordentliche Rentenerhöhung, die zu einem lebensstandardsichernden Rentenniveau und einer automatischen Neuberechnung des individuellen Rentenfreibetrags führen werden würde.

Damit soll sichergestellt werden, dass die Rente auch netto wieder den Lebensstandard sichern möge und Alle - übers gesamte Leben betrachtet - von der nachgelagerten Besteuerung profitierten.

DIE LINKE hat deshalb als erste Fraktion dazu einen Antrag in den Bundestag eingebracht  ("Rentenbesteuerung vereinfachen und Doppelbesteuerung vermeiden" (19/10282).

Ergebnisse:

Allein im kommenden Jahr werden trotz der Nullrunde im Westen und der minimalen Rentenerhöhung von voraussichtlich 0,72 Prozent im Osten 2.000 steuerpflichtige Rentnerinnen und Rentner zusätzlich belastet und müssen dann oft erstmals eine Steuererklärung machen müssen.

Die Folge: Von den insgesamt 21 Millionen Rentnerinnen und Rentnern werden dann 5,37 Millionen Steuern zahlen müssen, also fast ein Viertel.

Das gesamte Einkommenssteueraufkommen dieser 5,37 Mio. Steuerpflichtigen wird dann 43 Milliarden Euro betragen.

 

Diese Zahlen stammen aus der Antwort des Finanzministeriums auf eine schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Matthias W. Birkwald, dem rentenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE, an die Bundesregierung.

Wenn man den aktuellen Prognosen folgt, wird es im Jahr 2022 zu einer Rentenanpassung von 4,8 Prozent im Westen und 5,56 Prozent im Osten und damit einer massiven Zunahme der Zahl steuerpflichtiger Rentnerinnen und Rentner kommen.[1]

Hintergrund:

Seit 2005 steigt der Anteil der Rente, der besteuert wird, Jahr für Jahr. Wer ab 1. Juli 2020 neu in Rente ging, musste bereits ab einer gesetzlichen Rente (ohne weitere Einkünfte) von 1.166 Euro[2] brutto Steuern auf die Rente zahlen. Aktuell werden 80Prozent der Alterseinkünfte besteuert, im nächsten Jahr werden es dann 82 Prozent sein.

Wer 2040 in Rente gehen wird, muss dann auf seine gesamten Renteneinkünfte Steuern zahlen.

Aber: Eigentlich ist die Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung eine gute Sache! Denn mit der zunehmenden Besteuerung der Renten werden bis 2025 die Steuern auf die Rentenbeiträge, die während des Arbeitslebens zu zahlen sind, komplett abgeschafft. Da man regelmäßig im Erwerbsleben höhere Einkünfte als in der Rentenphase erzielt und in unserem Steuersystem höhere Einkommen auch höher besteuert werden, zahlen Menschen – auf ihr ganzes Leben gesehen – weniger Steuern als nach dem alten Prinzip.

Heute können nur 90 Prozent der Altersvorsorgebeiträge von der Steuer abgesetzt werden, 2020 werden bereits 90 Prozent des Höchstbetrages von 25.046 Euro als Sonderausgaben abgezogen werden können. Ab 2025 wird dann auf alle Renten- und Altersvorsorgebeiträge kein Cent Steuern mehr fällig werden.

Exakte Zahlen über die Steuerbelastung von Rentnerinnen und Rentnern liegen zeitverzögert nur für das Jahr 2015 vor:[3]

Von den in der Steuerstatistik ausgewiesenen 21,2 Millionen Empfängerinnen und Empfänger von Renten im Inland (2016)[4] mussten 6,65 Millionen eine Steuererklärung abgeben.[5] Davon wurden die Einkünfte von insgesamt nur 4,96 Millionen Menschen (23 Prozent) tatsächlich steuerlich belastet. Diese zahlten ca. 36 Milliarden Euro Einkommenssteuer und damit durchschnittlich 7.313 Euro pro Jahr Einkommenssteuer auf sämtliche Einkünfte.

Von den 864.590 Steuerpflichtigen mit ausschließlich Renteneinkünften zahlten allerdings nur 54 Prozent und damit 466.603 Rentnerinnen und Rentner Steuern in Höhe von insgesamt 209 Millionen Euro und damit 37,33 Euro durchschnittlich pro Monat. 

 

[1] Entwurf Rentenversicherungsbericht 2020, Tabellen B2 und B3

[2] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerliche_Themengebiete/Altersvorsorge/2020-05-05-Rentenbesteuerung-Eine-Frage-der-Gerechtigkeit-Anlage-Uebersicht-zur-Rentenbesteuerung-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=2  

[3] https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Steuern/Lohnsteuer-Einkommensteuer/Tabellen/renten_ESt.html

[4] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/06/PD19_221_73111.html

[5] Neben der gesetzlichen Rente sind hier auch betriebliche und private Alterssicherungsleistungen enthalten. Im Rahmen des Rentenbezugsmitteilungsverfahrens werden keine Rentenzahlungen aus dem Ausland erfasst. Nicht enthalten sind zudem steuerfreie Unfallrenten, Beamtenpensionen sowie bestimmte Formen von Betriebs­renten, bei denen es sich steuerrechtlich um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit handelt.