5. SGB IV Änderungsgesetz - ein bunter Strauß an Gesetzänderungen

26.02.2015

Rede von Matthias W. Birkwald zum 5. SGB IV Änderungsgesetz (BT-Drs. 18/3699[1])

im Deutschen Bundestag am 26. Februar 2015

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Selten waren von einem Gesetzentwurf so viele unterschiedliche Menschen betroffen wie von diesem:

Ursprünglich ging es ja um einfachere, computergestützte Meldewege zwischen den Unternehmen und den Sozialversicherungsträgern.

Jetzt sind zum Beispiel betroffen:

· die volljährige Waise,

· das junge Paar, bei dem es einen Verhütungsunfall gab,

· der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss, der jetzt eine berufliche Ausbildung anstrebt und

· die langzeitarbeitslose Verkäuferin, die vom Jobcenter in das Programm ‚Soziale Teilhabe‘ aufgenommen werden wird.

Diese Liste der Betroffenen ließe sich beliebig verlängern.

Aber all diese Menschen haben überhaupt gar keine Chance, die parlamentarischen Beratungen auch nur im Ansatz nachzuvollziehen.

Und warum? Weil die Bundesregierung ohne erkennbaren Grund, sachlich völlig unzusammenhängende Gesetzesänderungen in ein einziges sogenanntes „Omnibusgesetz“ gepackt hat.

Transparenz, Bürgernähe und eine gute Debattenkultur kriegen Sie mit Sammelsuriumgesetzen wie diesem nicht hin.

Und darum, meine Damen und Herren, lehnen wir ein solches Omnibusverfahren grundsätzlich ab!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD,

schauen wir uns Ihren bunten Strauß an Gesetzesänderungen mal an.

Zuerst die guten Punkte:

Erstens: Sie verbessern den Unfallversicherungsschutz für die Ebola-Helferinnen und Helfer.

Das ist gut!

Zweitens: Es ist auch gut, dass Sie Waisen, die in einer Ausbildung sind, die Waisenrente künftig nicht mehr kürzen wollen, auch wenn ihr Einkommen über 500 Euro liegt.

Drittens: Sie strukturieren die assistierte Ausbildung für höchstens 10.000 sozial- und bildungsbenachteiligte Jugendliche neu. (KA 18/3653, S. 2)

Das ist zwar ein richtiger Schritt.

Aber der ist viel zu klein, angesichts von 260.000 Jugendlichen, die in Übergangsmaßnahmen statt in einer ordentlichen Ausbildung stecken!

Und: Dieses befristete Programm wird von der Bundesagentur für Arbeit und von den JobCentern finanziert.

Die Arbeitgeber müssen keinen Cent dazu bezahlen.

Und das, meine Damen und Herren, das ist ungerecht.

Aber wenn es den Jobcentern und den Arbeitsagenturen wirklich gelingen sollte, 10.000 Jugendliche in eine ordentliche Ausbildung zu bekommen, dann wäre das richtig und gut.

Meine Damen und Herren,

kommen wir zur „Pille danach“.

Zehn Jahre hat der peinliche Eiertanz um die „Pille danach“ gedauert.

Zehn Jahre auf dem Rücken von jungen Frauen, die nach einem Verhütungsunfall Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft haben.

Nun ist er zu Ende und die Verschreibungspflicht für die Pille danach wird endlich abgeschafft. Das findet DIE LINKE gut.

Aber warum ist der Eiertanz zu Ende? Ich zitiere die FAZ von gestern:

„Die ‚Pille danach’ ohne ärztliche Beratung würde er (Gesundheitsminister Herrmann Gröhe) gern verhindern, kann es aber gegen das Votum der EU nicht.“ Zitat Ende.

Stimmt und deshalb sollte die Bundesregierung sich bei diesem Thema auch nicht vor Stolz auf die Brust klopfen, denn dafür gibt es keinen Grund.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zu einem besonders kritischen Punkt kommen:

Frau Staatssekretärin, Langzeiterwerbslose, die demnächst über das neue Programm „Soziale Teilhabe“ einen Job erhalten, sollen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I erwerben dürfen.

Das heißt auf Deutsch: Wenn die Teilnehmenden nach der Maßnahme keinen regulären Job auf dem ersten Arbeitsmarkt ergattern, dann schicken Sie sie sofort wieder in Hartz IV zurück.

Diesen Drehtüreffekt in Hartz IV, den lehnen wir LINKEN ab!

Stattdessen brauchen wir öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse, aber sie müssen gleichwertig und voll sozialversicherungspflichtig sein.

Meine Damen und Herren,

unterm Strich finden sich in Ihrem bunten Strauß von Gesetzesänderungen einige wenige rote Rosen, manche Nachtschattengewächse, viele Zwiebelblüten und eine Distel.

Deshalb werden wir uns enthalten.

Links:

  1. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/036/1803699.pdf