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Matthias W. Birkwald

Rentengipfel im Kanzleramt: Ein Armutszeugnis

Gastkommentar von Matthias W. Birkwald in der Tageszeitung junge Welt vom 26.11.2016

26.11.2016
Gastkommentar von Matthias W. Birkwald, junge Welt vom 26.11.2016

CDU-Finanzstaatssekretär Jens Spahn behauptet, hierzulande gäbe es keine Altersarmut. Selbst die SPD sagt nun: Die viel zu niedrigen Renten für erwerbsgeminderte, chronisch kranke Menschen müssten steigen, und die Absenkung des Rentenniveaus müsse gestoppt werden. Immerhin: Von dem Unsinn, die Löcher der gesetzlichen Rente durch Riestern zu stopfen, hört man nichts mehr.

Was hat der Koalitionsgipfel zur Rente am Donnerstag gebracht? Nicht viel, denn selbst Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ist von den Ergebnissen enttäuscht. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zieht sie am Nasenring um den Kabinettstisch herum.

Konkret: Für chronisch Kranke, die vorzeitig in Rente gehen müssen, wird künftig die »Zurechnungszeit« um drei Jahre verlängert. Das wird den künftigen Erwerbsminderungsrentnern monatlich 50 Euro mehr bringen. Immerhin, aber aus der Grundsicherung kommt damit kaum jemand heraus: Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente liegt heute bei 711 Euro, der anerkannte Grundsicherungsbedarf der Betroffenen bei 766 Euro. Von den 50 Euro mehr im Monat werden deshalb die wenigsten wirklich profitieren. Die große Mehrheit der zukünftigen kranken Rentner wird weiterhin auf die Grundsicherung angewiesen bleiben und von dem zusätzlichen Geld nichts sehen. Ganz schlecht: Die heutigen Erwerbsminderungsrentner gehen komplett leer aus.

Die Linke fordert deshalb die Abschaffung der Abschläge von durchschnittlich 76 Euro. Dann wären die Erwerbsminderungsrenten zwar immer noch nicht armutsfest (EU-Armutsgrenze liegt bei 1.033 Euro), aber die Betroffenen wären wenigstens aus der Grundsicherung raus.

Die ostdeutschen Rentner werden von Union und SPD in Sachen Angleichung bis Juli 2025 vertröstet. Eine Dresdnerin, die 1990 in Rente ging, muss also 100 Jahre alt werden, um eine Rente auf Westniveau zu erhalten. Der eigentliche Skandal aber ist, dass die Beschäftigten durch den geplanten Wegfall der Umrechnung bald drastische Kürzungen werden hinnehmen müssen: Eine Verkäuferin mit 1.873 Euro brutto erhielte 70 Euro weniger Rente. Dazu darf es nicht kommen! Immer noch liegen die Ostlöhne von Vollzeitbeschäftigten im Schnitt 24 Prozent unter denen im Westen. Dafür dürfen die Menschen nicht auch noch in der Rente bestraft werden. Und Schäuble sagt: Mir gäbet nix. Ein Armutszeugnis.

Am Freitag legte Ministerin Nahles ihr 58seitiges »Alterssicherungskonzept« vor. Klar ist: 46 Prozent Rentenniveau bedeuteten eine Absenkung der heutigen Standardrente um 57 Euro. Diese Haltelinie reicht nicht, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Die Linke kämpft deshalb weiter für ein lebensstandardsicherndes Rentenniveau von 53 Prozent. Und wir fordern eine einkommens- und vermögensgeprüfte Solidarische Mindestrente von 1.050 Euro netto. Beides ist finanzierbar. Dann könnten die Menschen ohne Angst vor Altersarmut in die Zukunft sehen.

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