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Matthias W. Birkwald

Lebensleistungsrente: Viel Lärm um wenig

Auswertung schriftliche Frage Lebensleistungsrente

25.04.2016
Matthias W. Birkwald: Die sogenannte Lebensleistungsrente honoriert weder die Lebensleistung noch erspart sie den Rentnerinnen und Rentnern den Gang zum Sozialamt.

„Von der sogenannten „Lebensleistungsrente“ würden zukünftig maximal 40.000 Zugangsrentnerinnen und -rentner profitieren. Sozialministerin Andrea Nahles’ Projekt ist nichts anderes als viel Lärm um wenig“, kritisiert Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. Birkwald wollte anhand der Aussagen im Koalitionsvertrag von der Bundesregierung wissen, wie groß der mögliche potentielle Berechtigtenkreis der sogenannten „Lebensleistungsrente“ im Rentenzugangsjahr 2014 gewesen wäre.

„Die sogenannte „Lebensleistungsrente“ honoriert weder die Lebensleistung, noch erspart sie den Rentnerinnen und Rentnern den Gang zum Sozialamt. Sie spricht ihrem Namen Hohn. Statt sinnlos 180 Millionen Euro für ein nicht tragfähiges Konzept zu verpulvern, muss das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent angehoben werden“, so Birkwald weiter. Man brauche eine gesunde Basis, sonst müsse bei weiter sinkendem Sicherungsniveau immer wieder Geld nachgeschossen werden. Zugleich müsse, wie von den Gewerkschaften gefordert, die Rente nach Mindestentgeltpunkten entfristet werden. Dazu bräuchte es aus Sicht Birkwalds keine Gesetzesentwürfe vom Umfang eines Brockhaus-Lexikons, die anschließend von der Union verwässert würden. Es reiche aus, lediglich einen Paragrafen zu ändern. Sollte die Rente dann immer noch unter der Grundsicherungsschwelle liegen, fordere DIE LINKE eine Solidarische Mindestrente, die ihren Namen verdiene: „Niemand darf im Alter von weniger als 1050 Euro netto leben müssen“, so Birkwald abschließend.

Hintergrund:

Laut Koalitionsvertrag sollen ab 2017 die Rentenansprüche von Versicherten, die langjährig Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, bis zu einer bestimmten Höhe aufgestockt werden. Ginge es nach dem Willen der Großen Koalition, würden angeblich vor allem Geringverdienende und Menschen, die Angehörige gepflegt oder Kinder erzogen haben, profitieren.

Zunächst sollen Versicherte, die bis 2023 insgesamt 35 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt und weniger als 30 Entgeltpunkte erreicht haben, durch eine Aufwertung der erworbenen Rentenentgeltpunkte bessergestellt werden. Dabei sollen auch bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Nach 2023 sollen sich die Bedingungen verschärfen: Für die Zugangsvoraussetzung sollen dann grundsätzlich 40 Beitragsjahre sowie eine zusätzliche Altersvorsorge (z.B. Riester-Rente) notwendig sein.

Da die Statistik nichts darüber sagt, ob die Beitragsjahre aus Erwerbstätigkeit oder beispielsweise aus Arbeitslosigkeit stammen und inwieweit diese Personen zusätzlich privat vorgesorgt haben, kann hier allenfalls das mögliche Potential abgeschätzt werden. Sicher ist: Durch die höheren Zugangshürden ab 2024 wird der Berechtigtenkreis weiter eingeschränkt werden. Betrachtet man allein die Zahl der Versicherten mit 40 Beitragsjahren und weniger als 30 Entgeltpunkten, sinkt das Potential gegenüber der Einstiegsvoraussetzung von 35 Beitragsjahren - gemessen am Rentenzugang 2014 - um ein Drittel.

In der ersten Phase der Lebensleistungsrente (2017 – 2023, Mindestvoraussetzung sind 35 Beitragsjahre) besteht ein Potential von 66.000 Männern und Frauen, die von der Lebensleistungsrente profitieren könnten (davon Frauen: 60,5 Prozent). Der Anteil der Frauen im Westen beträgt gut 62 Prozent (Ost: 56,4 Prozent). In der zweiten Phase (ab 2023, Mindestvoraussetzung 40 Beitragsjahre sowie zusätzliche Altersvorsorge) könnten maximal 40.000 Versicherte profitieren. Auch hier sind vor allem Frauen die Nutznießerinnen: Ihr Anteil beträgt 57 Prozent. Im Westen läge dieser bei 57,2 Prozent (Ost: 56,4 Prozent). Bei einem Vergleich der Mindestvoraussetzungen (40 Beitragsjahre vs. 35 Beitragsjahre) würde der Anteil der Männer dagegen leicht auf 43 Prozent gegenüber 39 Prozent steigen.

Gemessen an allen Nichtvertragsrenten (also Renten ohne ausländische Versicherungszeiten oder mit Wohnsitz im Ausland) von Männern und Frauen im Rentenzugang 2014 (840.145 Versicherte) läge der Anteil bei 35 Beitragsjahren bei gerade einmal 7,9 Prozent. Bei 40 Beitragsjahren würden maximal 4,8 Prozent der Versicherten von der Lebensleistungsrente profitieren.

Fazit: Sollte es bei dem vorliegenden Konzept der sogenannten "Lebensleistungsrente" bleiben, werden nur wenige Menschen mit niedrigen Renten von ihr profitieren. Altersarmut lässt sich damit nicht nennenswert bekämpfen. Menschen mit prekären Erwerbsbiographien bräuchten sie am nötigsten. Und die werden sie definitiv nicht erhalten. Im LINKEN Konzept der Solidarischen Mindestrente wäre auch dieses Problem gelöst.

Anlage:

Formulierung zur sogenannten ‚Lebensleistungsrente‘ im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD:

Wir wollen, dass sich Lebensleistung und langjährige Beitragszahlung in der Sozialversicherung auszahlen. Wir werden daher eine solidarische Lebensleistungsrente einführen. Die Einführung wird voraussichtlich bis 2017 erfolgen.

Grundsatz dabei ist: Wer langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, Beiträge gezahlt hat (40 Jahre) und dennoch im Alter weniger als 30 Rentenentgeltpunkte Alterseinkommen (Einkommensprüfung) erreicht, soll durch eine Aufwertung der erworbenen Rentenentgeltpunkte bessergestellt werden. Dies kommt vor allem Geringverdienern zugute und Menschen, die Angehörige gepflegt oder Kinder erzogen haben.

Durch eine Übergangsregelung bis 2023 (in dieser Zeit reichen 35 Beitrags-jahre) stellen wir sicher, dass insbesondere die Erwerbsbiografien der Menschen in den neuen Ländern berücksichtigt werden. In allen Fällen werden bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit wie Beitragsjahre behandelt. Danach soll zusätzliche Altersvorsorge als Zugangsvoraussetzung erforderlich sein. In einer zweiten Stufe sollen jene Menschen, die trotz dieser Aufwertung nicht auf eine Rente von 30 Entgeltpunkten kommen, jedoch bedürftig sind (Bedürftigkeitsprüfung), einen weiteren Zuschlag bis zu einer Gesamtsumme von 30 Entgeltpunkten erhalten. Die Finanzierung erfolgt aus Steuermitteln, u. a. dadurch, dass Minderausgaben in der Grundsicherung im Alter als Steuerzuschuss der Rentenversicherung zufließen, und durch die Ab-schmelzung des Wanderungsausgleichs.