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Matthias W. Birkwald

Riester-Rente am Ende

Berliner Zeitung vom 23. Dezember 2014

23.12.2014
Karl Doemens

Wenig Interesse, die Zinsen im Sinkflug: Die Riester-Rente ist in den Augen der Opposition ein Auslaufmodell. Die Grünen fordern einen Kurswechsel, die Linke hält das Riestern gar für „Wahnsinn“.

Vor dem Hintergrund niedriger Abschlusszahlen und einer drastisch sinkenden Verzinsung von Riester-Verträgen fordert die Opposition einen radikalen Kurswechsel in der Rentenpolitik. „Riester ist in der bisherigen Form am Ende“, sagte Grünen-Rentenexperte Markus Kurth dieser Zeitung: Die dritte Säule – neben gesetzlicher und betrieblicher Vorsorge – könne das sinkende Rentenniveau nicht ausgleichen.

Linken-Experte Matthias W. Birkwald sprach von einem teuren Wahnsinn: „Riestern zum Ausgleich der Rentenkürzungen war ein leeres Versprechen zum Schaden der gesetzlichen Rente und zum Wohle der Versicherungskonzerne.“

Mit einer Kleinen Anfrage hatte Kurth bei der Bundesregierung aktuelle Zahlen zur Riester-Rente erfragt. Aus der Antwort geht hervor, dass rund 34 Millionen Menschen theoretisch Anspruch auf eine Förderung hätten. Tatsächlich gibt es nur 16 Millionen Verträge, von denen ein Fünftel beitragsfrei gestellt ist. Nur 6,4 Millionen Männer und Frauen sparen soviel, dass sie die volle Förderung erhalten. Damit sei „für einen Großteil der Bevölkerung eine angemessene Absicherung im Alter nicht gewährleistet“, moniert der Grünen-Abgeordnete.

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Aus der Antwort der Bundesregierung geht zudem hervor, dass die Abschlusszahlen von Riester-Verträgen für Personen mit einem Jahreseinkommen bis zu 30 000 Euro seit 2010 stark zurückgegangen sind. Hingegen haben Besserverdiener deutlich mehr Policen abgeschlossen. In dem von Finanz-Staatssekretär Michael Meister (CDU) unterzeichneten Schreiben räumt die Regierung ein, keine Informationen über die Kosten der Policen zu haben. Auch Prognosen über die Entwicklung der Rendite seien nicht möglich.

Rendite „nahezu bei null Prozent“

Kurth monierte, dass das Sozialministerium in seinem Rentenversicherungsbericht gleichwohl eine durchschnittliche Rendite von vier Prozent unterstelle. Das widerspreche der Realität. Tatsächlich haben sich die Angebote nach Erkenntnissen der Stiftung Warentest verschlechtert. „Die Leistungen, die heute bei Neuverträgen garantiert werden, sind oft nur noch halb so hoch wie 2002“, sagte Altersvorsorge-Experte Theo Pischke dieser Zeitung. Nach Abzug der Kosten liege die Rendite bei sehr teuren Policen inzwischen „nahe bei null Prozent“.

Vertreter der Koalition widersprachen der Oppositionskritik. Es reiche nicht, alleine die Entwicklung der Riester-Renten zu betrachten, sagte SPD-Expertin Katja Mast dieser Zeitung. Eine wachsende Zahl von Menschen hätten Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung. Deren Zahl sei von 14,6 Millionen im Jahr 2001 auf 19,6 Millionen im Jahr 2011 gestiegen: „Es gibt also eine große Dynamik bezüglich der zusätzlichen Altersvorsorgesäulen privat und betrieblich.“ Das Finanzministerium betont, jeder Bürger könne selbst frei entscheiden, wie er fürs Alter vorsorgt. Für den Einzelnen kann sich der Abschluss wegen der hohen staatlichen Förderung trotz Niedrigzinsen lohnen. Dies gelte vor allem für Familien mit mehreren Kindern, betonte Pischke.

Im abgelaufenen Jahr ließ sich der Staat die Förderung rund 3,1 Milliarden Euro kosten. Linken-Rentenpolitiker Birkwald verlangte, das Geld solle besser in die gesetzliche Rentenkasse umgeleitet werden: „Damit ließe sich dauerhaft eine zusätzliche Rentenerhöhung von 1,5 Prozent finanzieren.“ Grünen-Experte Kurth warf der Koalition vor, sie kapituliere vor den Problemen: „Wir brauchen jetzt echte Alternativen zu den Riester-Privatverträgen.“ Denkbar wäre beispielsweise ein staatlich verwalteter Pensionsfonds, sagte Kurth.